Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Gemeinschaftspraxis als Adressat einer Honorarberichtigung. Jobsharingpraxis. Geltendmachung. Vertrauensschutz. Honorarrückforderung wegen Überschreitung der Leistungsbegrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Adressat einer Honorarberichtigung kann eine Gemeinschaftspraxis in ihrer aktuellen Zusammensetzung sein, auch wenn sie sich auf Quartale bezieht, in denen die Gemeinschaftspraxis zT andere Mitglieder hatte.
2. Eine Jobsharingpraxis kann gegen eine Honorarrückforderung wegen Überschreitens der Leistungsbegrenzung Vertrauensschutz geltend machen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung über Jahre hinweg mit dem Quartalshonorarbescheid ankündigt, bezüglich der Prüfung der Abrechnung im Hinblick auf die Einhaltung der Punktzahlobergrenze im Rahmen des Job-Sharings werde sie die Praxis jeweils nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres mit einem gesonderten Schreiben informieren, aber untätig bleibt.
Tenor
1. Die Rückforderungsbescheide der Beklagten vom 04.12.2008 bzgl. des fünften bis siebten. Leistungsjahres Jobsharing (Quartale II/05 bis I/07) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarrückforderung in Höhe von 344.799,14 € wegen Überschreitens der Leistungsbeschränkung im Rahmen eines sog. Jobsharing-Verhältnisses für den Zeitraum II/04 bis I/07 (fünftes bis siebtes Leistungsjahr).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Sie besteht aus sechs Radiologen. Frau Dr. med. CC wurde als Fachärztin für diagnostische Radiologie durch Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 28.03.2000 zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn Dr. med. DD gem. § 101 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Abschnitt 4 Nr. 23a der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte zugelassen. Der Zulassungsausschuss genehmigte mit weiterem Beschluss vom 28.03.2000 die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit der Frau Dr. CC mit den übrigen fünf Radiologen der Gemeinschaftspraxis und legte zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der gegenüber den Erstzugelassenen in den Quartalen I/96 bis IV/96 ergangenen Abrechnungsbescheiden ein quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen, welches bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis gemeinsam als Leistungsbeschränkung für Herrn Dr. DD und Frau Dr. CC maßgeblich ist, wie folgt fest:
1. Jahresquartal - 2.224.972,18 Punkte
2. Jahresquartal - 2.303.798,08 Punkte
3. Jahresquartal - 2.364.090,20 Punkte
4. Jahresquartal - 2.396.412,18 Punkte
jeweils zzgl. 3 % des Fachgruppendurchschnitts des entsprechenden Vorjahresquartals.
Frau Dr. CC beendete zum 31.07.2007 das Jobsharing-Verhältnis und schied aus der Gemeinschaftspraxis aus. Ebenfalls endete die Tätigkeit a des Facharztes für diagnostische Radiologe Dr. med. EE als angestellter Arzt gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m. § 32b Ärzte-ZV zum 31.03.2007 (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.03.2007).
In den streitbefangenen Quartalen nahm die Beklagte folgende Honorarfestsetzungen vor:
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II/04 |
III/04 |
IV/04 |
I/04 |
Honorarbescheid vom |
09.10.2004 |
07.02.2005 |
18.04.2005 |
26.07.2005 |
Nettohonorar gesamt in € |
572.739,86 |
574.657,68 |
658.538,79 |
613.527,39 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
573.670,71 |
570.344,52 |
659.283,83 |
615.444,00 |
Fallzahl PK + EK |
6.734 |
6.830 |
7.024 |
7.084 |
Angefordertes Honorar Basis EBM in Punkten |
930.256,52 |
981.293,64 |
995.947,42 |
1.027.581,93 |
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in € |
930.256,52 |
981.293,64 |
995.947,42 |
1.027.581,93 |
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II/05 |
III/05 |
IV/05 |
I/06 |
Honorarbescheid vom |
29.06.2006 |
12.08.2006 |
06.08.2007 |
20.01.2007 |
Nettohonorar gesamt in € |
614.102,46 |
525.492,53 |
617.349,42 |
508.255,81 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
617.066,46 |
527.896,06 |
625.094,76 |
512.077,30 |
Fallzahl PK + EK |
7.597 |
6.878 |
7.087 |
7.506 |
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in Punkten |
876.480,24 |
820.477,13 |
842.740,76 |
850.645,34 |
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in € |
876.480,24 |
820.477,13 |
842.740,76 |
850.645,34 |
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II/06 |
III/06 |
IV/06 |
I/07 |
Honorarbescheid vom |
04.02.2007 |
17.03.2007 |
18.04.2007 |
08.03.2008 |
Nettohonorar gesamt in € |
526.688,11 |
527.873,54 |
600.824,84 |
533.633,39 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
531.026,60 |
531.308,91 |
608.589,25 |
537.396,92 |
Fallzahl PK + EK |
7.014 |
6814 |
7.432 |
7.556 |
Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in Punkten |
804.894,50 |
814.471,93 |
861.543,74 |
898.163,99 |
Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in € |
804.894,50 |
814.471,93 |
861.543,74 |
898.163,99 |
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 04.12.2008 für das fünfte Leistungsjahr - Quartale II/04 bis I/05 einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 143.609,57 € (147.343,25 € brutto abzüglich 3.733,68 € anteilige Verwaltungskosten) fest. Zur Begründung verwies sie auf das Jobsharing-Verhältnis und einen beigefügten Berechnungsbogen.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.12.2008 Widerspruch ein. Die Beklagte setzte mit weiteren Rückforderungsbesc...