Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Genehmigung einer Zweigpraxis. Versorgungsverbesserung durch Kooperation mit einem Endokrinologen und Wegeverkürzung für die Patienten

 

Leitsatz (amtlich)

Weder in der Kooperation mit einem Endokrinologen noch in der Wegeverkürzung für die Patienten liegt keine Versorgungsverbesserung, die die Genehmigung einer Zweigpraxis eines MVZ Kinderwunschzentrums rechtfertigen würde, wenn im Ort der Zweigpraxis (hier: B Stadt bei Hauptsitz in A-Stadt) eine ausreichende Versorgung gewährleistet ist.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt bei einem Praxissitz in A-Stadt.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt, die nunmehr als Medizinisches Versorgungszentrum betrieben wird. Das MVZ besteht aus einer Ärztin und drei Ärzten, die alle als Fachärzte für Gynäkologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Das MVZ hat ferner einen Anästhesiologen angestellt. Das MVZ führt im Rahmen eines sogenannten Kinderwunschzentrums Sterilitätsdiagnostik und -therapie durch und ist im Besitz der Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 121a SGB V (IVF-Zentrum).

Die Klägerin beantragte unter Datum vom 25.05.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis zur Untersuchung gynäkologisch-endokrinologischer Fragestellungen in der S-Str. in B-Stadt. Sie trug vor, in den Jahren 2004 - 2006 hätte sie insgesamt 675 Paare aus B Stadt am Kinderwunschzentrum in A-Stadt behandelt. Eine Sterilitätsdiagnostik und -therapie einschließlich der In-vitro-Behandlung umfasse mehrere Beratungsgespräche, und das Zyklusmonitoring bedürfe mehrere Untersuchungstermine, sodass für die Patientinnen aus dem Raum B-Stadt über die Zweigpraxis eine deutlichere Verbesserung der Versorgungssituation eintreten würde. Zusätzlich erlaube die direkte Kooperation mit dem ebenfalls in der S-Str. praktizierenden endokrinologischen Kollegen des Endokrinologikums eine fachübergreifende Abklärung verschiedener Fragestellungen. Geplant sei, dass Herr Dr. C 10 Wochenstunden und in Vertretung Frau Dr. D eine Sprechstunde für Sterilitätsdiagnostik und -therapie durchführe. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten an ihrem Vertragsartsitz werde nicht beeinträchtigt, da durch den Rückgang der Behandlungszahlen um ca. 30% als Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes Kapazitäten freigesetzt würden. Zusätzlich sei Frau Dr. D seit 15.04.2007 in A-Stadt tätig.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.11.2007 den Antrag ab, weil eine Verbesserung der Patientenversorgung nicht vorliege. Nach den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung sei bereits in den Empfehlungen zur Qualitätssicherung eine enge Kooperation mit andrologisch qualifizierten Ärzten in Diagnostik und Therapie vorgesehen. Den Patienten sei auch zuzumuten, längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Es bestehe kein Anspruch, in unmittelbarer Nachbarschaft eine fachärztliche Versorgung zu erhalten. Im Bereich B-Stadt und C-Stadt bestehe ein umfassendes Beratungs- und Behandlungsangebot zu allen Fragen der künstlichen Befruchtung, so dass die Frage der Unterversorgung bei der Beurteilung des Antrags keine Bedeutung habe. Eine Zweigpraxis in B-Stadt-X. führe nicht zu einer Verbesserung der Patientenversorgung.

Hiergegen legte die Klägerin am 22.11.2007 Widerspruch ein. Sie trug weiter vor, es sei richtig, dass in den Richtlinien eine Kooperation mit Endokrinologen vorgesehen sei. Die danach erteilte IVF-Genehmigung bringe jedoch nicht automatisch die Genehmigung mit sich, außerhalb der Praxisräume in A-Stadt im Rahmen der Kooperation mit den Endokrinologen auch Leistungen außerhalb der Praxisräumlichkeiten in A-Stadt abrechnen zu dürfen. Ihr Konzept gehe über die geforderte Kooperation hinaus. Auf eine Unterversorgung komme es nicht an. Es bestehe eine entsprechende Ermächtigung zu Gunsten des Chefarztes der Frauenklinik am RB-Krankenhaus. Eine Ermächtigung könne nur bei einer entsprechenden Sicherstellungslücke erteilt werden. Die Tätigkeit von niedergelassenen Vertragsärzten - auch in Zweigpraxen - gehe der Ermächtigung vor.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesärztekammer Hessen unter Datum vom 12.03.2008 mit, die Versorgung der Patienten mit reproduktionsmedizinischen Maßnahmen sei in B-Stadt durch die bereits bestehenden und von ihr genehmigten IVF-Einrichtungen ausreichend gewährleistet. In B-Stadt gäbe es drei genehmigte IVF-Einrichtungen und eine weitere in unmittelbarer angrenzenden C-Stadt. Es seien ihr keine Fälle bekannt, in den Patienten für einen ersten Gesprächstermin übermäßig hätten lange warten müssen oder aufgrund organisatorischer Belastung gar abgelehnt worden seien. Angesichts der rückläufigen Patientenzahlen sei auch künftig nicht von einer Unterversorgung mit reproduktionsmedizinischen Maßnahm...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge