Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Erweiterte Honorarverteilung. Bildung zu großer Beitragsklassen. Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bildung der zu großen Beitragsklassen nach den Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der KV Hessen (GEHV (juris: ErwHVGrs HE)) verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG (vgl bereits SG Marburg vom 5.11.2014 - S 12 KA 420/14 - juris). Dies benachteiligt ua Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, die unterdurchschnittliche Honorarumsätze erzielen.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Darmstadt L 4 KA 5/15.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 6 KA 9/19 R)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 31.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.03.2013 wird die Beklagte verpflichtet, über die Eingruppierung der Klägerin und die Festsetzung des Quartalsbeitrags zur EHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin und die Beklagte haben jeweils zu ½ die Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der EHV-Beitragsklasse 2 und des EHV-Beitrags in Höhe von 1.254,00 EUR je Quartal für das Beitragsjahr 2012/2013, was einem Jahresbetrag von 5.016,00 EUR entspricht, nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (GEHV).

Die Klägerin ist als Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie seit dem 02.05.2001 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beklagte stufte die Klägerin mit Bescheid vom 31.08.2012 in die Beitragsklasse 2 der EHV für den Zeitraum 01.07.2012 bis 30.06.2013 ein. Den Beitrag setzte sie je Quartal (III/12 bis II/13) auf 1.254,00 EUR fest. Zur Begründung verwies sie auf die Neufassung der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung GEHV). Danach sei die Höhe des zu leistenden Betrages abhängig von dem erzielten Honorar aus ärztlicher Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für das hier strittige Beitragsjahr würden die erzielten Honorare aus dem Jahr 2010 herangezogen werden. Insgesamt würden 9 Beitragsklassen festgelegt werden. Die konkrete Zuordnung zur Beitragsklasse erfolge über das prozentuale Verhältnis des arztindividuellen Honorars zum Durchschnittshonorar. Im Jahr 2010 habe das Gesamthonorar der Klägerin 56.591,14 EUR betragen, das Durchschnittshonorar 205.398,02 EUR. Der Anteil des klägerischen Honorars am Durchschnittshonorar betrage 27,55 %, woraus sich die ermittelte Beitragsklasse 2 ergebe.

Hiergegen legte die Klägerin am 26.09.2012 Widerspruch ein. Sie trug unter Datum vom 26.02.2013 vor, bei einer Gesamtvergütung von 9.746,75 EUR im Quartal III/12 stelle die Höhe des EHV-Beitrags von 1.254,00 EUR (12,86 %) eine besondere Härte dar. Da gleichzeitig die Beiträge an das Versorgungswerk (1.850,25 EUR) und die Krankenkasse (1.660,23 EUR) von ihr abgeführt würden, verblieben vor Abzug von Steuern und anderen Kosten lediglich 4.991,27 EUR Quartalseinkommen. Dies als Generationengerechtigkeit zu propagieren empfinde sie als Mutter zweier schulpflichtiger Kinder als zynisch und ungerecht. Sie liege knapp über der Schwelle zur Beitragsklasse 1 und bitte deshalb für das Quartal III/12 um Umgruppierung in die Beitragsklasse 1.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine Reform der EHV sei angesichts einer wachsenden Anzahl von EHV-Empfängern und einer gleichzeitig abnehmenden Anzahl von Einzahlern erforderlich geworden. Mit der aktuellen Neufassung habe sie u.a. ein Beitragsklassenmodell eingeführt. Jeder aktive Vertragsarzt werde danach in eine der neun Beitragsklassen eingestuft. Grundlage für die Einstufungen in die jeweilige Beitragsklasse bilde das prozentuale Verhältnis des arztindividuellen Honorars zum Durchschnittshonorar aller aktiven Vertragsärzte (Beitragszahler). Das für den Beitrag maßgebliche Honorar der Klägerin im Jahr 2010 stelle sich wie folgt dar:

Quartal Honoraranteile 2010 Bruttohonorar PK+EK Korrekturen Almax EHV befreit Gesamt 1/2010 15.150,01 EUR 0 EUR 0 EUR 0 EUR 15.150,01 EUR 2/2010 14.081,91 EUR 0 EUR 0 EUR 0 EUR 14.081,91 EUR 3/2010 13.807,68 EUR 0 EUR 0 EUR 0 EUR 13.807,68 EUR 4/2010 13.551,54 EUR 0 EUR 0 EUR 0 EUR 13.551,54 EUR Gesamt 56.591,14 EUR

Sie habe daher den quartalsmäßigen Betrag korrekt festgesetzt. Die EHV sei als Umlagesystem organisiert. Der Vertragsarzt müsse daher in der aktiven Phase hinnehmen, dass seine Vergütung gemindert werde, um aus dem nicht verteilten Betrag die Versorgung von invaliden und alten Ärzten sowie Hinterbliebenen zu finanzieren. Dafür erwerbe er Teilhabeansprüche an dem zukünftig erwirtschafteten Honorar der Vertragsärzte in Form von Punkten, die grundsätzlich wiederspiegelten, wie sich sein für die E...

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