Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung von Vermögen aus einer Lebensversicherung auf den Hilfebedarf. Voraussetzung der Annahme einer besonderen Härte bei Vermögensbildung zur Alterssicherung
Orientierungssatz
Der Auszahlungsbetrag einer Lebensversicherung muss bei einem Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ausnahmsweise dann nicht als vorrangig zu verwertendes Vermögen bedarfsmindernd eingesetzt werden, wenn der Hilfeempfänger aufgrund seines Lebensalters in unmittelbarer Nähe zum Rentenalter steht (hier: 63 Jahre alt) und aufgrund seiner Erwerbsbiografie nur einen Rentenanspruch unterhalb der Bedarfsdeckungsgrenze erworben hat, sodass bei einem Vermögenseinsatz vor dem Rentenalter in jedem Fall ein Grundsicherungsbedarf im Alter entstehen würde. In diesem Fall ist ausnahmsweise davon auszugehen, dass ein Vermögenseinsatz eine besondere Härte darstellen würde.
Tenor
Der Bescheid vom 27.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2014 wird aufgehoben.
Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Aufhebung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger zu 1. war bis 1993 als Geschäftsstellenleiter einer Elektrofirma pflichtversicherungsfrei beschäftigt. Nach Verlust seines Arbeitsplatzes und anschließender 2- jähriger Arbeitslosigkeit nahm er eine selbständige Tätigkeit auf, die jedoch nicht bedarfsdeckend war.
Im Jahr 2005 beantragten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Sie waren zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt (Kläger zu 1.) bzw. 51 Jahre alt (Klägerin zu 2.). In dem Antrag gaben sie an, neben anderen Vermögenswerten, auch über eine Lebensversicherung bei der D. (früher E. Versicherung) zu verfügen. Versicherungsbeginn war ausweislich des vorgelegten Versicherungsscheins der 01.07.1990; Versicherungsablauf der 01.07.2013. Der Rückkaufswert zu diesem Zeitpunkt betrug 28.973,99 €.
In einem Aktenvermerk vom 15.12.2005 wurde von Seiten des Beklagten festgestellt, dass der Kläger zu 1. als Selbständiger auf die Lebensversicherung als Altersvorsorge angewiesen und das Vermögen damit nach § 12 SGB II begünstigt sei.
Im Folgenden wurden fortlaufend Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung dieses Vermögens bewilligt.
Mit Bescheid vom 20.06.2013 wurden den Klägern unter Anrechnung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit vorläufig Leistungen für den Leistungszeitraum 01.07.2013 bis 31.12.2013 in Höhe von 932,- € monatlich bewilligt. Die vorläufige Bewilligung erfolgte aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 1. Dabei wurde jeweils der Regelbedarf in Höhe von 345,00 €, sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 345,00 € zuzüglich Heizkosten in Höhe von 57,00 € berücksichtigt.
Nachdem der Kläger zu 1. die Auszahlung der Versicherungssumme angezeigt hatte, teilte er mit Schreiben vom 21.08.2013 auf Nachfrage des Beklagten mit, dass er außer der fälligen Lebensversicherung über keine weiteren Vermögenswerte verfüge.
Mit Bescheid vom 27.08.2013 wurde der Bescheid vom 20.06.2013 mit Wirkung zum 01.09.2013 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aus der Lebensversicherung ein Betrag in Höhe von 55.000,- € ausbezahlt worden sei. Dieser Betrag müsse vorrangig für den Lebensunterhalt eingesetzt werden, da kein Verwertungsausschluss bestehe und auch keine besondere Härte vorliege.
Mit Schreiben vom 05.09.2013 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein und führten aus, dass das Vermögen zur Sicherung der Lebensgrundlage im Alter bestimmt sei. Aufgrund ihrer Erwerbsbiografie würden sie im Rentenalter nur eine geringe gesetzliche Rente erhalten. Daher sei die Lebensversicherung angespart worden. Der sofortige Verbrauch stelle daher eine besondere Härte dar.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Zufluss der Versicherungssumme in Höhe von 55.000,- € als Vermögen zu qualifizieren sei, welches keinem Verwertungsausschluss unterliege. Der Kläger habe den Auszahlungszeitpunkt auf das 63. Lebensjahr festgelegt und damit bestimmt, dass er unabhängig von den gesetzlichen Rentenaltersgrenzen in den Ruhestand eintreten wolle. Damit diene die ausgezahlte Versicherungssumme genau dem Zweck, zu dem sie angespart worden sei.
Hiergegen haben die Kläger am 04.02.2014 Klage erhoben und vorgebracht, ihr Vermögen sei als Altersvorsorgevermögen zu qualifizieren. Dies ergebe sich zum einen aus ihrem Lebensalter und zum anderen aus der Tatsache, dass der Kläger zu 1. langjährig pflichtversicherungsfrei erwerbstätig gewesen sei. Ab dem 19.05.2015 werde er - laut Auskunft der Deutschen Rentenversicherung - eine Altersrente in Höhe von 716,84 € (brutto) erhalten, die Klägerin zu 2. ab dem 01.10.2019 eine monatliche Rente in Höhe von 326,56 € (brutto). Im Übrigen sei die Versicherung ab dem Jahr 2005 auch aus der Regelleistung bedient worden, so...