Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. keine Praxisbesonderheit wegen eines sogenannten Durchsanierens. offensichtliches Mißverhältnis. Ausschluß der Prüfung nach Durchschnittswerten bei Fallzahl unter 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe

 

Leitsatz (amtlich)

Geringere Fallzahlen einer vertragszahnärztlichen Praxis begründen nicht aufgrund eines sogenannten Durchsanierens im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Praxisbesonderheit.

 

Orientierungssatz

1. Zur Festlegung der Grenze des offensichtlichen Mißverhältnisses zwischen dem Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten und dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe (vgl BSG vom 6.9.2000 - B 6 KA 24/99 R = SozR 3-2500 § 106 Nr 50, BSG vom 16.7.2003 - B 6 KA 45/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 3 und BSG vom 2.6.1987 - 6 RKa 23/86 = SozR 2200 § 368n Nr 48).

2. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl BSG vom 9.9.1998 - B 6 KA 50/97 R = SozR 3-2500 § 106 Nr 45).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwertes in den vier Quartalen IV/00 bis II/01 und II/02 in Höhe von insgesamt 13.871,18 Euro.

Der Kläger ist seit Januar 1980 als zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

In den streitbefangenen Quartalen sowie im Quartal III/01 ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):

Quartal

Fallzahl

Pkte. pro Fall

Mehrkosten pro Fall in Pkte.

In %

IV/2000

VZA*

218

121

50

70,4

VG**

529

71

I/2001

VZA**

229

132

51

62,9

VG**

473

81

II/2001

VZA*

201

123

48

64,0

VG**

465

75

III/2001

VZA*

209

106

29

37,7

VG**

452

77

II/2002

VZA*

209

125

48

62,3

VG**

475

77

Nach einem Antrag der Beigeladenen zu 2) bis 8) für das Quartal IV/00 bzw. einem Auswahlverfahren für die übrigen Quartale und dem Quartal III/01 führte der Prüfungsausschuss IV der Zahnärzte und Krankenkassen -Hessen -eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der streitbefangenen Quartale durch. Der Prüfungsausschuss lud den Kläger zu einer Prüfsitzung, an der er teilnahm.

Mit Bescheid vom 14.11.2002 setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 14.045,48 € (27.470,57 DM)) fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für die Jahre 2000 und 2001 auf die streitigen 13.924,49 € (27.233,94 DM) reduzierte. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,4-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende

Honorarreduzierungen (vor Berücksichtigung der HVM-Einbehalte) vor:

IV/00

um

4.075,42 €

I/01

um

3.760,34 €

II/01

um

3.121,90 €

II/02

um

3.087,82 €

Im Ergebnis gestand der Prüfungsausschuss dem Kläger für alle streitbefangenen Quartale jeweils den 1,4-fachen Fallwert zu.

Hiergegen legte der Kläger am 24.04.2003 und die Beigeladenen zu 2) bis 8) am 28.04.2003 Widerspruch ein. Letztere trugen vor, wegen des Fehlens von Praxisbesonderheiten oder kompensatorischer Einsparungen sei das Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit in einem höheren Umfang zu vermuten. Der Kläger führte zu einzelnen Belegfällen und Leistungen bzw. Vorwürfen der Unwirtschaftlichkeit aus.

Der Beklagte führte eine weitere Prüfsitzung durch, an der der Kläger wiederum teilnahm.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2005, ausgefertigt am 11.10. und dem Kläger am 13.10.2005 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers und den Widerspruch der Beigeladenen zu 2) bis 8) zurück. Zur Begründung führte er aus, er habe einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte des Klägers legten daher eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nahe. Im Ergebnis hätten Praxisbesonderheiten sowie Unterschiede in der Praxisstruktur, die geeignet gewesen wären, den ausgewiesenen Mehraufwand in seinem gesamten Umfang zu rechtfertigen, nicht festgestellt werden können. Man habe ferner die Abrechnung mit Blickrichtung auf die gegenüber der Vergleichsgruppe geringere Fallzahl und des daraus sich möglicherweise ergebenden erhöhten Zeitpotenzials für die Versorgung der Patienten beleuchtet. Zu berücksichtigen sei, dass jede zahnärztliche Praxis darauf ausgerichtet sei, ...

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