Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarztrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine 6-wöchige Vakanzvertretung ist auch bei angestellten Psychotherapeuten nur anzeigepflichtig.

2. Die Vertretung kann - sofern nicht entsprechende Genehmigungen vorliegen - aufgrund des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung keine genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Kapitel 35 EBM umfassen.

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 insoweit rechtswidrig ist, als die Vertretung für nicht genehmigungspflichtige Leistungen durch die Beklagte versagt wurde.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt 40% der Gerichtskosten, die Klägerin 60%. Die Beklagte trägt 40% der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten rückwirkend über die Zulässigkeit einer Vertretung von genehmigungs- und nicht genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen.

Die Klägerin nimmt als Medizinisches Versorgungszentrum, das überwiegend psychotherapeutische Leistungen erbringt, an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Frau M. Sc.-Psych. L. D. war bis zum 18. November 2021 als angestellte Ärztin bei der Klägerin beschäftigt. Im Hinblick auf das bevorstehende Ausscheiden aus dem MVZ beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 die Genehmigung zur Beschäftigung einer Vertretung gemäß § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 5 Ärzte-ZV. Als Vertretung ab dem 19. November 2021 bis zum 31. Dezember 2021 wurde Frau M.Sc.-Psych. R. H. (approbierte Psychologische Psychotherapeutin mit Vertiefungsrichtung Verhaltenstherapie) benannt. Es sei geplant, dass Frau H. ab dem 1. Januar 2022 als angestellte Psychotherapeutin tätig werde. Zudem beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie für eine angestellte Psychologische Psychotherapeutin.

Mit Bescheid vom 12. November 2021 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und führte zur Begründung an, dass nach § 32 Abs. 1 und § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV zwar eine Vertretung eines angestellten Arztes im Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses möglich sei. Diese Regelung werde jedoch durch § 14 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) eingeschränkt, weil eine Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen grundsätzlich unzulässig, d.h. in jedem Fall ausgeschlossen sei. Eine adäquate Vertretung für eine psychologische Psychotherapeutin ohne die Erbringung genehmigungspflichtiger Leistungen durch die Vertretung sei nicht darstellbar.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 Widerspruch ein. Die Vertretung sei wie geplant und angezeigt von Frau H. übernommen worden. § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV gelte auch für die Vertretung von angestellten Psychotherapeuten. Es läge ein Vertretungsfall im Sinne von § 32b Abs. 6 S. 2 Ärzte-ZV vor, die Beschäftigung sei für die Dauer von 6 Monaten zulässig. Es würde sich um eine nur anzeigepflichtige Vertretung handeln, eine Genehmigungspflicht gemäß § 32 Abs. 2 durch die Beklagte bestünde nicht, weil § 32b Abs. 6 S. 1 Ärzte-ZV ausdrücklich nicht auf Satz 2 verweise. Nach dem Wortlaut in § 32b Abs. 6 Satz 1 Ärzte-ZV betreffe die Verweisung nicht den Fall der gegenseitigen internen Vertretung (B 6 KA 9/18 R). Vorliegend handele es sich um eine externe Vertretung, weil die Anstellungsgenehmigung durch den Zulassungsausschuss erst mit Wirkung zum 1. Januar 2022 erfolgt sei.

Eine genehmigungsfreie Vertretung sei zulässig, wenn der Vertreter die gleiche Qualifikation aufweise wie der Vertretene. Der vertretene Arzt habe sich lediglich zu vergewissern, dass die Qualifikationsvoraussetzungen von dem Vertreter erfüllt würden (§ 14 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä). Der Vertreter müsse nicht über die Abrechnungsgenehmigung verfügen, sondern nur die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. Dies sei bei Frau H. der Fall.

§ 14 Abs. 3 BMV-Ä schließe die Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nicht generell aus, denn es könnten nicht genehmigungspflichtige Leistungen durch einen Vertreter erbracht werden. Eine Vertretung sei sowohl bei genehmigungspflichtigen als auch bei nicht genehmigungspflichtigen Leistungen möglich. Auch ein Therapeuten-Wechsel während der laufenden Behandlung sei möglich, wie sich aus § 20 Abs. 4 Muster-Berufsordnung Bundespsychotherapeutenkammer ergäbe. Auch nach § 11 Abs. 7 Psychotherapie-Richtlinien sei ein Therapeuten-Wechsel zulässig. § 14 Abs. 3 BMV-Ä stünde einer Vertretung nicht entgegen, wenn sich an die Vertretung zeitnah ein Therapeutenwechsel anschließe und der übernehmende Therapeut die Therapien über den Vertretungszeitraum hinaus fortsetze. Denn dadurch würden therapieschädliche Unterbrechungen vermieden.

Mit Bestandskraft des angefochtenen Bescheides über die Ablehnung der Gen...

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