Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Überversorgung. partielle Öffnung eines Planungsbereichs. Ermessensausübung der Zulassungsgremien. Berücksichtigung der räumlichen Verteilung der Vertragsarztsitze. Abstellen auf das Vorhalten eines offenen MRT bei hälftigem Versorgungsauftrag der Fachgruppe Radiologie
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Auswahlentscheidung nach partieller Öffnung eines Planungsbereichs hat auch die räumliche Verteilung der Ärzte der Fachgruppe innerhalb einer Raumordnungsregion zu berücksichtigen.
2. Die Ermessensausübung muss berücksichtigen, ob nicht bestehende Ermächtigungen durch eine Zulassung ganz oder teilweise abgebaut werden können und ob deren Umfang nicht gerade auf einen Bedarf am geplanten Sitz eines Bewerbers hindeutet.
3. Wird für die Auswahlentscheidung wesentlich auf das Vorhalten eines offenen MRT abgestellt, reicht der Hinweis auf 46 Kostenerstattungsanträge im Quartal bzw von 6,2 % der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe Radiologie in Bezug auf einen hälftigen Versorgungsauftrag nicht aus.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Beschlusses vom 04.03.2015 wird der Beklagte verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Der Beklagte hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer aktiven Konkurrentenklage um die Vergabe eines hälftigen Vertragsarztsitzes für einen Radiologen/eine Radiologin in der Raumordnungsregion Mittelhessen nach partieller Öffnung.
Die 1968 geb. und jetzt 48-jährige Klägerin ist seit 09.10.1996 approbiert und seit 22.10.2003 Fachärztin für Diagnostische Radiologie. Seit Dezember 2007 ist sie berechtigt, die Schwerpunktbezeichnung Kinderradiologie zu führen. Nach ihrer Facharztanerkennung arbeitete sie bis Oktober 2005 im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der A-Uni, anschließend bis Oktober 2007 als Oberärztin in der Kinderradiologie der Universität C-Stadt und seitdem als Oberärztin der XA. Klinik A-Stadt, seit 01.07.2013 dort als komm. Leiterin der Radiologie, seit 01.04.2014 als Teamchefärztin. Sie ist zur vertragsärztlichen Versorgung bis zum 31.12.2006 ermächtigt. Der 1947 geb. und jetzt 68-jährige Beigeladene zu 8) ist seit 01.03.1978 approbiert und seit 27.01.1984 Facharzt für Radiologie.
Nach partieller Öffnung der Raumordnungsregion Mittelhessen für einen Vertragsarztsitz für einen Radiologen/eine Radiologin bewarben sich die Klägerin und 11 weitere Ärzte für einen vollen Vertragsarztsitz.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 05.11.2013 dem Antrag des Beigeladenen zu 8) auf hälftige Zulassung und des Dr. E. auf Aufhebung der Beschränkung der Zulassung statt und lehnte die übrigen Anträge ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.12.2013 Widerspruch ein, des Weiteren die Ärzte Dr. F. und Dr. G. Zur Begründung trug die Klägerin vor, sie widerspreche nicht der halben Zulassung für Herrn Dr. E. Aufgrund ihrer Schwerpunktkompetenz Kinderradiologie einerseits und der zur regionalen Sicherstellung vorrangigen Versorgung des Ostkreises C-Stadt und der angrenzenden Bereiche A-Kreis und B-Kreis anderseits hätte ihr die halbe Zulassung zugesprochen werden müssen. Der Schwerpunkt Kinderradiologie sei für spezielle Untersuchungen der traumatologisch erkrankten Kinderpatienten von hohem Nutzen. Mit Recht werde bei Herrn Dr. E. auf das für die Bevölkerung der L-Region notwendige Versorgungsangebot verwiesen. Damit vergleichbar sei die Situation im Ostkreis C-Stadt und den angrenzenden Regionen des A-Kreis und B-Kreis. Auch hier bestehe eindeutig regionaler Versorgungsbedarf. Deshalb seien auch turnusgemäß Chefärzte der Radiologie am Klinikum A-Stadt mit einer umfänglichen Ermächtigung ausgestattet worden. Auch wenn der Beigeladene zu 8) über ein offenes MRT verfüge, so bleibe doch festzustellen, dass die Stadt C-Stadt mit ihrem Einzugsbereich bestens versorgt sei. Für eine weitere halbe Zulassung im Stadtgebiet C-Stadt bestehe daher keine Notwendigkeit. Bereits seit mehreren Jahren stehe das offene MRT zur Verfügung und sei die Versorgung gewährleistet. Ergänzend verweise sie auf ihr bereits eingereichtes Konzept.
Der Beigeladene zu 8) trug mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.03.2014 vor, er weise die gleiche fachliche Befähigung wie die Klägerin auf. Darüber hinaus sei er als Facharzt für Radiologie im Gegensatz zur Klägerin auch zur therapeutischen Radiologie, namentlich auch unter dem Gesichtspunkt der Strahlenheilkunde, befähigt. Die Klägerin werde ihre Tätigkeit im Krankenhaus nicht aufgeben, weshalb zu erwarten sei, dass die erforderliche Trennung zwischen vertragsärztlicher und stationärer Tätigkeit nicht vollzogen werde. Es fehle der Klägerin an einer freien Praxis. Für die Klägerin komme vorrangig eine Ermächtigung in Betracht. Es bestünd...