Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine zeitliche Begrenzung des Funktionstrainings bei medizinischen Besonderheiten. dauerhafte Bewegungstherapie bei Morbus Bechterew
Leitsatz (amtlich)
1. Ist angesichts der medizinischen Besonderheiten des zu entscheidenden Einzelfalls von der Notwendigkeit einer Fortsetzung des Funktionstrainings über die in der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vorgesehene Höchstdauer hinaus auszugehen, ist der entsprechende Leistungsanspruch des Versicherten zeitlich nicht begrenzt.
2. Versicherte, die an Morbus Bechterew leiden, benötigen in der Regel dauerhaft eine Bewegungstherapie in der Gruppe mit den Inhalten -Trockenübungen, Schwimmen und Gruppensport unter Anleitung eines Physiotherapeuten.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2006 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Teilnahme am Funktionstraining für zwölf Monate aufgrund der ärztlichen Verordnung vom 20. Februar 2006 in Höhe von insgesamt 312,00 € zu erstatten.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten, die ihm für die Teilnahme am Funktionstraining der örtlichen Morbus Bechterew-Gruppe entstanden sind.
Der 1950 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales GF. vom 7. Juni 2004 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Merkzeichen G festgestellt. Dabei wurden die Auswirkungen folgender Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt: “Bechterew’sche Erkrankung mit Gelenkbeteiligung; seelische Verstimmung, Alkoholabhängigkeit; Bluthochdruck, Herzschaden; chronische Bronchitis und Nebenhöhlenentzündung; ekzematöse Hautveränderungen„. Wegen seiner Bechterew’schen Erkrankung nahm der Kläger schon seit vielen Jahren an einer spezifischen Gruppengymnastik unter fachlicher Anleitung im Klinikum LX. teil. Die Kosten für dieses Funktionstraining wurden über Jahre hinweg von der Beklagten übernommen, zuletzt bis zum 2. Februar 2006.
Am 20. Februar 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage einer “Ärztlichen Verordnung für Funktionstraining„ seines Internisten und Rheumatologen Dr. D. vom gleichen Tag für die Folgezeit erneut die Kostenübernahme. Aus dieser Verordnung ergibt sich, dass der Kläger unter einer chronisch fortschreitenden, schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit an Wirbelsäule, Thorax und stammnahen Gelenken leidet. Ziel des Funktionstrainings soll es danach sein, die Schmerzen zu reduzieren, sowie die gestörte Muskel- und Gelenkfunktion zu verbessern. Verordnet wurde eine Kombination aus Trocken- und Wassergymnastik für die Dauer von zwölf Monaten (eine Übungsveranstaltung pro Woche).
Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte zunächst zwei kurze Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Darin wurde die medizinische Notwendigkeit einer Verlängerung des Leistungsanspruchs verneint. In der Folgezeit legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung seiner Hausärzte vom 25. April 2006 vor, wonach eine eigenverantwortliche Durchführung des Übungsprogramms bei dem Kläger nicht möglich ist. Der sich ständig veränderte Beschwerdekomplex erfordere eine dauerhafte Anpassung der Übungen. Auch der Facharzt Dr. D. empfahl in einer Bescheinigung vom 30. März 2006 die Fortführung des Funktionstrainings in der Gruppe. Auch die Vorlage dieser Unterlagen beim MDK führte nicht zu einer geänderten Beurteilung. Mit Bescheid vom 10. Mai 2006 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme für das Funktionstraining über den 2. Februar 2006 hinaus ab. Der Kläger habe die Förderungshöchstdauer für das Funktionstraining von 24 Monaten bereits ausgeschöpft. Dagegen erhob der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, fristgerecht Widerspruch. Zur Begründung des Widerspruchs wurde später vorgetragen, der Kläger sei wegen des Ausmaßes seiner Behinderungen auf das Funktionstraining in der Gruppe angewiesen. Die speziellen Übungen erforderten Geräte, eine Trainingshalle und Warmwasserbäder. Diese Möglichkeiten habe der Kläger in seiner häuslichen Umgebung jedoch nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2006 wurde der Widerspruch von der Beklagten zurückgewiesen. Dabei stützte sich die Beklagte auf die Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining in der Fassung vom 1. Oktober 2003. Danach sei die Leistungsdauer grundsätzlich auf 24 Monate beschränkt. Eine Verlängerung sei nur möglich, wenn die Motivation zur Durchführung des Übungsprogramms in Eigenverantwortung krankheits- oder behinderungsbedingt nicht oder noch nicht gegeben sei. Diese medizinischen Voraussetzungen seien bei dem Kläger nicht gegeben. Daher verbleibe es bei dem Grundsatz...