Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine zeitliche Leistungsbegrenzung im Einzelfall durch Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport
Orientierungssatz
1. Auf medizinisch notwendige Leistungen zum Rehabilitationssport und Funktionstraining als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation besteht gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung ein Rechtsanspruch nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 43 Abs. 1 SGB 5 i. V. m. § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB 9 (hier: bei Morbus Bechterew mit fortgeschrittener Belegungseinschränkung).
2. Die Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining kann als Empfehlung nach § 13 SGB 9 nicht eine für alle Einzelfälle verbindliche zeitliche Begrenzung von Rehabilitationssport und Funktionstraining auf 120 Übungseinheiten in 36 Monaten treffen, sondern sie bestimmt nur den regelmäßigen Leistungsumfang.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02. November 2006 wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006 verurteilt,
1. dem Kläger die für die Beschaffung des Rehabilitationssports/Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27. Oktober 2005 entstandenen Kosten in Höhe von 405,- Euro zu erstatten,
2. dem Kläger die weiteren Leistungen des Rehabilitationssports/Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27. Oktober 2005 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Streitig ist die Übernahme von Kosten für Rehabilitationssport/ Funktionstraining.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist an Morbus Bechterew mit fortgeschrittener Bewegungseinschränkung und Osteoporose erkrankt. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt. Bereits in der Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2006 förderte die Beklagte für die Dauer von 36 Monaten die Teilnahme des Klägers an einem von der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. (DVMB), Gruppe S, angebotenen Rehabilitationssportkurs/Funktionstraining. Nach Auskunft der DVMB, Landesverband NRW e.V., vom 09.05.2007 werden - abgestimmt auf die Bedürfnisse der Erkrankungen - in den Bechterew-Gruppen sowohl Rehabilitationssport als auch Funktionstraining durchgeführt. Die Patienten benötigten gezielte Übungen, um ihre Beweglichkeit zu erhalten und möglichst noch vorhandene Bewegungsreserven zu aktivieren, wobei bei fortschreitendem Verlauf der Erkrankung die ständige Kontrolle bei der Ausübung der Übungen erforderlich sei. Die Konzeption der Übungsstunden umfasse eine gezielte Bechterew-Gymnastik und auf die Erkrankung abgestimmte Sportarten. Hierbei sei auch die Bewegung im warmen Wasser eines Schwimmbades wichtig.
Der Allgemeinmediziner Dr. C stellte am 27.10.2005 eine erneute ärztliche Verordnung für die Teilnahme des Klägers an dem Rehabilitationssport, Kurs "IK 500 552 199" bei der DVMB aus, der 120 Übungseinheiten á jeweils 5,- Euro, also Gesamtkosten in Höhe von 600,- Euro, umfasste. Er gab an, der Kläger benötige die Rehabilitationssportarten "Gymnastik und Bewegungsspiele in Gruppen" zur Vermeidung irreparabler Bewegungseinschränkungen. Aufgrund seiner Funktionseinbußen und fortgeschrittenen Bewegungseinschränkungen sei eine Überwachung und ständige qualifizierte Kontrolle erforderlich. Notwendig seien 120 Übungseinheiten in 36 Monaten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.11.2005 ab, da der Leistungsumfang für die Durchführung des Rehabilitationssports zu Lasten der Krankenkassen nach dem Inhalt der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.04.2003 auf höchstens 120 Übungseinheiten in 36 Monaten begrenzt sei. Mit seinem Widerspruch vom 15.11.2005 machte der Kläger geltend, die Rahmenvereinbarung könne den sich aus § 43 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - ergebenden gesetzlichen Anspruch nicht zeitlich begrenzen. Mangels anderer Therapiemöglichkeiten seien die Morbus Bechterew-Patienten essentiell auf die Durchführung des speziellen Rehabilitationssports durch eigens geschulte Therapeuten angewiesen. Wegen des fortgeschrittenen Krankheitsbildes mit erheblichen Bewegungseinschränkungen sei eine regelmäßige Überwachung bei den Übungen erforderlich.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Sozialmedizinische Dienst (Dr. O) in seinem Gutachten vom 05.12.2005 mit, aus medizinischer Sicht könne eine weitergehende Kostenübernahme für die beantragte Rehabilitationsleistung nicht begründet werden. Die sportliche Betätigung könne auf eigene Kosten fortgeführt werden. Eine Motivationseinschränkung werde nicht beschrieben. Die ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation seien durch Heilmittel (insb. Krankengymnastik) zu ergänzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurü...