Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Betriebsübergabe eines Bauunternehmers an den Sohn. Tätigkeit des ehemaligen Betriebsinhabers im Rahmen eines Freien-Mitarbeiter-Vertrags im selben Betrieb. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Orientierungssatz
1. Die Tätigkeit eines ehemaligen Bauunternehmers für den an seinen Sohn übergebenen Betrieb im Rahmen eines Freien-Mitarbeiter-Vertrages stellt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dar.
2. Maßgeblich dafür, ob abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist die tatsächliche Rechtsnatur der Vertragsbeziehung bei Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere auch der tatsächlichen Arbeitsleistung.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, wie sie die Beklagte gegenüber der Klägerin geltend macht.
Die Beklagte nahm am 28.01.1998 eine Betriebsprüfung gemäß § 28 p Sozialgesetzbuch IV. Teil (SGB IV) bei der Klägerin - einem Baugeschäft - vor. Der Prüfzeitraum erstreckte sich vom 04.01.1994 bis 31.12.1997. Mit Bescheid vom 17.06.1998 (Blatt 113-117 Beiakte) machte die Beklagte eine sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung einschließlich Säumniszuschlägen von insgesamt 32.799,72 DM geltend. Laut Inhalt dieses Bescheides kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass ... in der Zeit vom 04.01.1994 bis 31.12.1996 als freier Mitarbeiter tätig gewesen war. Die von ihm ausgeübten Tätigkeiten erfüllten überwiegend die Tatbestandsmerkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gegen Arbeitsentgelt. Es habe daher für den Zeitraum vom 04.01.1994 bis 31.12.1996 Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung und ab 01.01.1995 auch in der Pflegeversicherung bestanden. Zudem machte die Beklagte mit diesem Bescheid Beiträge für den als geringfügig Beschäftigten geführten ... für die Zeit vom 01.01.1995 bis 30.04.1996 geltend. Letzteres Beschäftigungsverhältnis des Herrn ... ist nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25.06.1998 Widerspruch (Blatt 121 Beiakte). Zur Begründung trug sie vor, Herr ... sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht als Arbeitnehmer, d. h. abhängig Beschäftigter, sondern als freier Mitarbeiter für die Klägerin tätig gewesen. Herr ... habe seine Arbeitszeit frei festlegen können, es habe keine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation der Klägerin vorgelegen, es habe keine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Inhaber der Klägerin bestanden. Herr ... habe keinen Kündigungsschutz als Arbeitnehmer gehabt, vielmehr habe er ein eigenes Gewerbe angemeldet gehabt und die in dem Vertrag zwischen der Klägerin und Herrn ... vom 28.12.1993 (Blatt 92-95 Beiakte) festgelegte Vergütung habe keine nennenswerte Rolle bei der Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft zu spielen.
Zudem habe Herr ... einem Wettbewerbsverbot unterlegen und er habe für seine eigene Firma selbst am Markt geworben, schließlich habe er keinen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle und im Urlaub gehabt. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2000 (Blatt 152-158 Beiakte) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, Herr ... habe sehr wohl in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Klägerin gestanden, er habe seine Tätigkeiten laut eigenen Aussagen überwiegend im Büro der Klägerin ausgeführt und die von ihm ausgeübten Tätigkeiten seien nach deren Eigenart Bestandteil der betrieblichen Organisation der Klägerin gewesen. Die von ihm verrichteten Tätigkeiten für die Klägerin seien von dieser betriebsorganisatorisch eingeplant und damit sachlich in deren Betriebsablauf eingegliedert gewesen; er habe einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin unterlegen und ein Unternehmerrisiko habe bei ihm nicht bestanden. Gleichfalls sei Herr ... auch nicht für andere Auftraggeber tätig geworden.
Am 19.06.2000 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben (Blatt 1-2 d. A.). Zur Begründung trägt sie vor, ein maßgebliches Kriterium sei zum einen der zwischen der Klägerin und Herrn ... geschlossene freie Mitarbeitervertrag vom 28.12.1993 gewesen. Es könne jedoch zur Beurteilung der Frage der Arbeitnehmereigenschaft nicht auf den Inhalt des Vertrages abgestellt werden, vielmehr müsse die tatsächliche Ausgestaltung Grundlage für die rechtliche Beurteilung sein.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 17.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die im Vorverfahren getroffenen Feststellungen und trägt ergänzend vor, Herr ... habe im streitgegenständlichen Zeitraum zweifelsfrei in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten zum Rechtsstreit beigezogen. Weiter hat das Gericht die Akte des Sozialgerichts Darmstadt mit dem Aktenzeichen ...