Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitlich begrenzte Methadon-Substitutionsbehandlung bei Heroinabhängigen

 

Orientierungssatz

1. Die Substitutionsbehandlung eines Heroinabhängigen ist u. a. bei einer Ausweitung oder Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution zu beenden. Das ist dann der Fall, wenn ein regelmäßiger Konsum auch nach über 5-jähriger Behandlung vorliegt.

2. Die Richtlinie Methoden Vertragsärztliche Versorgung (SRL) dient ausschließlich der Krankenbehandlung mit dem Ziel der Suchtmittelfreiheit. Ist dieses Ziel nicht zeitnah erreichbar, ist eine Substitution zulässig. Nach den SRL ist die Substitutionsbehandlung zwingend zu beenden, wenn der Beigebrauch über Jahre hinweg anhält.

3. Die SRL sind durch die Ermächtigungsgrundlage des § 135 Abs. 1 i. V. m- § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB 5 gedeckt und damit rechtmäßig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.06.2010; Aktenzeichen B 6 KA 12/09 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B..

Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mir Praxissitz A-Stadt zugelassen. Er besitzt die Genehmigung zur Abrechnung der Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.-Heroinabhängigen.

Der Kläger behandelte den 1949 geb. Patienten B. im Rahmen einer Methadon-Substitutionsbehandlung seit 1995 und zeigte am 02.01.2007 ab. Mit Datum vom 24.07.2005 melde er ihn erneut für die substitutionsgestützte Behandlung an.

Die Beklagte nahm eine Qualitätsüberprüfung der Behandlung vor. Der Kläger reichte die angeforderten Unterlagen ein und führte aus, der Patient habe zwischen Januar und Juni 2005 einen anderen Arzt aufgesucht, sei aber wegen eines befürchteten Heroinrückfalls zu ihm zurückgekehrt. Sein Benzodiazepinkonsum habe sich leider gesteigert. Seine psychische Situation habe sich seit dem Tod der Mutter verschlechtert. Er habe ein Borderline-Syndrom. Er halte sich viel besser als befürchtet. Wegen seiner Low-Dose-Abhängigkeit bestehe kein Grund, die Methadonbehandlung abzubrechen.

Mit Bescheid vom 16.01.2006 verpflichte die Beklagte den Kläger zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B. bis spätestens 13.02.2006. Sie führte aus, es bestehe weiterhin ein Benzodiazepinkonsum. Die Qualitätssicherungskommission habe deshalb eine weitere Behandlung abgelehnt.

Hiergegen legte der Kläger am 07.02.2006 Widerspruch ein. Er führte aus, Herr B. nehme seit Jahren lediglich gelegentlich eine Schlaf- bzw. Beruhigungstablette ein, damit er des Nachts Ruhe finde. Dies geschehe nicht einmal täglich, so dass keine Anhängigkeit des Patienten bestehe. Die letzte positive Urinanalyse stamme vom November 2005. Ein Abbruch würde den Patienten in den Drogenkonsum zurückwerfen und seinen Gesundheitszustand verschlechtern.

Die Qualitätssicherungskommission empfahl nach Einholung weiterer Urinscreenings eine Zurückweisung des Widerspruchs unter Hinweis auf die chronologische Auflistung der durchgeführten Urinkontrollen vom 08.08.2005 bis 27.09.2006.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007, dem Kläger zugestellt am 23.02.2007, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wird die Stellungnahme der Qualitätssicherungskommission aufgeführt.

Hiergegen hat der Kläger am 23.03.2007 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen vor, bei einem Abbruch befürchte er schwerste gesundheitliche Konsequenzen für seinen Patienten. Der Patient nehme Benzodiazepine wahrscheinlich aus Gründen seiner Borderline-Charakterstruktur. Die BUB-Richtlinien seien fehlerhaft. Ein Abbruch dürfe nur bei schwerstem Beigebrauch erfolgen. Ein Erfolg der Methadonbehandlung sei nachweisbar.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, es handele sich um eine gebundene Entscheidung. Die BUB-Richtlinie sei verbindlich und rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht die Pflicht zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B. festgestell...

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