Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilung. Einbeziehung probatorischer Sitzungen in das Regelleistungsvolumen. Bemessung des Regelleistungsvolumens für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und andere ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte und Psychologische Psychotherapeuten. Abweichung vom festgesetzten Regelleistungsvolumen für Praxisanfänger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Probatorische Sitzungen können in ein Regelleistungsvolumen einbezogen werden.

2. Für die Bemessung des Regelleistungsvolumens bestehen zwischen den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten solche Unterschiede, dass eine unterschiedliche Festsetzung der Fallpunktzahlen geboten ist.

3. Praxisanfänger innerhalb der Fachgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, auch soweit es sich um eine Neuniederlassung handelt, haben einen Anspruch auf Freistellung von einem Regelleistungsvolumen für das erste Quartal und Verdoppelung des Regelleistungsvolumens für die sieben Folgequartale (Bestätigung von SG Marburg vom 27.8.2004 - S 12 KA 424/07 - Berufung anhängig: LSG Darmstadt - L 4 KA 76/08 -).

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 25.09.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 wird die Beklagte verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens für die Quartale ab II/05 ff. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05 ff. und hierbei insbesondere um die Einbeziehung der so genannten probatorischen Sitzungen.

Die Klägerin ist als psychologische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin seit 11.05.1999 ermächtigt und seit 25.01.2001 in DD. zugelassen. Zum 28.02.2005 verzichtete sie auf ihren Psychotherapeutensitz in DD.. Sie wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 09.12.2004 als solche zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit für den Vertragspsychotherapeutensitz A-Stadt im Wege einer Sonderbedarfszulassung zugelassen.

Am 16.01.2006 stellte die Klägerin den Antrag auf Erhöhung ihres Regelleistungsvolumens. Sie trug vor, anlässlich der nun erfolgten Quartalsabrechnung sei bei ihr das besondere Problem des Regelleistungsvolumens bei neu aufzubauender psychotherapeutischer Praxis aufgetreten. Sie habe im April 2005 ihre kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxis in A-Stadt eröffnet. Es habe sich um einen Praxiswechsel gehandelt, da sie bislang in DD. niedergelassen gewesen sei. Im Quartal II/05 habe sie für sieben Fälle probatorische Sitzungen durchgeführt, insgesamt 38 Sitzungen, wofür sie nun lediglich 7.000 Punkte für das gesamte Quartal abrechnen könne. Die Fallzahl sei auch durch den Umstand so gering, dass sie im Verlauf des letzten Jahres nur zeitlich eingegrenzt in A-Stadt habe tätig sein können, da sie ihre bisherigen Behandlungen in DD. zu Ende behandelt habe. Die Fälle in DD. würden allerdings bei der Errechnung des Regelleistungsvolumens nicht mitberechnet werden. Sie halte auch ein Regelleistungsvolumen von 1.000 Punkten pro Fall für zu gering. Selbst bei einer Fallzahl von 30 würde man nur 30 Punkte bei einem Sitzungsaufwand von 150 Stunden erhalten. Gerade für eine qualifizierte Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter sei es unerlässlich, eine eingehende Diagnostik und Anamneseerhebung mit den Eltern durchzuführen, um eine genaue Indikation stellen und einen gut fundierten Bericht an den Gutachter anfertigen zu können. Der Zeitaufwand betrage 3 bis 5 Stunden pro Fall und pro Bericht. Das Regelleistungsvolumen könne in dem Sonderfall einer neu zu gründenden Praxis nicht angewandt werden. Diese Besonderheit sei zumindest für zwei Quartale hinweg zu berücksichtigen. Sie sei weiterhin an zwei Tagen/Woche in DD. tätig mit abnehmender Behandlungszahl. Der Punktwert von 1,054 Cent sei unangemessen niedrig. Eine Praxisführung sei damit nicht möglich und die Sicherstellung der Versorgung sei gefährdet. Entsprechend der genehmigungspflichtigen Leistungen müsse diese Leistung auch mit 4,8 Cent vergütet werden. Die Honorarvergütungsverteilung verstoße auch gegen das Gebot der Honorargerechtigkeit. Hilfsweise beantrage sie die Herausnahme der probatorischen Sitzungen aus dem Regelleistungsvolumen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.09.2006 den Antrag auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen ab. Zur Begründung verwies sie auf die Regelungen des Honorarverteilungsvertrages. Die Honorarforderungen einer Praxis würden einem (fallzahlabhängigen) praxisspezifischen Regelleistungsvolumen gegenüber gestellt und bewertet werden. Zeitbezogene genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen blieben unberücksichtigt und würden vorab zu...

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