Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Berufsausübungsgemeinschaft. Anerkennung als Aufbaupraxis bei der Gründung zweier unterschiedlicher Fachgebiete bzw beim Einbringen unterschiedlicher Fachgebiete in ein MVZ

 

Leitsatz (amtlich)

Die von BSG, Urt vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 2, juris Rdnr 29 noch offen gelassene Frage, ob die Rechte des Eintretenden aus der Eigenschaft seiner bisherigen Einzelpraxis als Aufbaupraxis dann weiter wirken könnten, wenn er - indem er sich mit anderen Einzelpraxisinhabern zusammenschließt - erst die BAG zur Entstehung bringt, ist im Sinne des Weiterwirkens als Aufbaupraxis zu beantworten. Dies gilt auch für die Einbringung eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ, wenn kein weiterer Arzt dort im gleichen Fachgebiet tätig ist.

 

Tenor

1.Der Bescheid vom 08.02.2010 bzgl. des Quartals II/09 und der Honorarbescheid für das Quartal II/09, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2010 werden aufgehoben.

2.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über das Regelleistungsvolumen und Honorar für das Quartal II/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3.Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars und eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal II/09.

Die Klägerin betreibt als juristische Person ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Praxissitz in A-Stadt. Das MVZ besteht seit dem 31.12.2006. Zur Gründung brachten, Facharzt für Chirurgie, der bereits zuvor als Vertragsarzt seit 01.11.1989 tätig war, und Herr Dr. C., Facharzt für Orthopädie, der erstmals zum 01.10.2006 zugelassen worden war, jeweils ihren vollen Vertragsarztsitz ein, um als angestellte Ärzte im MVZ tätig zu sein. Im Zuge einer Anstellungsnachfolge für Herrn Dr. D. waren dann Herr Dr. med. E. als Facharzt für Chirurgie seit dem 13.06.2007 mit einem Versorgungsauftrag im Umfang von 0,25 und Frau F. als Fachärztin für Chirurgie seit dem 13.06.2007 mit einem Versorgungsauftrag im Umfang von 0,75 im MVZ tätig. Herr Dr. C. blieb im MVZ bis zum 18.03.2007 im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags tätig. Eine Nachbesetzung erfolgte nicht unmittelbar nach seinem Ausscheiden. Vom 01.07.2007 bis 30.06.2008 war Dr. G., Facharzt für Orthopädie, im Umfang eines halben Versorgungsauftrags beschäftigt. Herr Dr. H. war vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 im Umfang eines Versorgungsauftrages mit 0,25 tätig. Es folgte dann ab 01.03.2008 Herr I. im Umfang eines Versorgungsauftrags von 0,25 und ab 01.07.2008 Herr Dr. J. im Umfang eines Versorgungsauftrags von 0,75. Der von Dr. H. inne gehaltene 0,25-Sitz war vom 01.01.2008 bis 30.06.2008 unbesetzt.

Die Beklagte setzte das Regelleistungsvolumen des MVZ für das streitbefangene Quartal mit Bescheid vom 26.02.2009 wie folgt fest:

Arzt

RLV-relevante Fallzahl

Fallwert in €

Fallwertabstaffelung

Altersstrukturquote

Aufschlag fachgleiche BAG

RLV in €

E.

203

23,59

1,0000

1,0269

1

4.917,59

F.

1.149

23,59

0,9354

1,0140

1

25.708,89

I.

218

21,27

1,0000

1,0246

1

4.750,93

J.

499

21,27

1,0000

1,0252

1

10.881,20

Gesamt

2.069

46.258,61

Hiergegen legte die Klägerin am 23.04.2009 Widerspruch ein. Die Klägerin trug vor, die Berechnung des Regelleistungsvolumens werde nicht ersichtlich. Die Berechnung des Fremdkassenausgleichs, der Vorwegabzug besonderer Leistungen und die Aufteilung in die haus- und fachärztliche Vergütung seien nicht nachvollziehbar. Besonderheiten des MVZ hätten keine Berücksichtigung gefunden, auch nicht die Neuregelung der fallzahlabhängigen Abstaffelung. Sie werde benachteiligt, weil bei einer fachgleichen Praxis die Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschale nur einmal abgerechnet werden könne. Nicht nachvollziehbar sei die Verringerung des Fallwerts zum Vorquartal, bei Chirurgen um 30 %, bei Orthopäden um 29 %.

Die Klägerin beantragte ferner eine Anpassung des Regelleistungsvolumens hinsichtlich der Fallzahl und des Fallwerts. In dieser Form bestehe das MVZ erst seit 2007, es handele sich um eine sog. Junge Praxis. Die Fallzahlzuweisung sei insb. für Herrn I. willkürlich. Der Fallwert werde bereits weitgehend durch die Grundpauschale ausgeschöpft. Das MVZ habe einen besonderen Versorgungsauftrag im Bereich der Radiologie mit Abrechnung der Nr. 34221, 34230, 34231 und 34234 EBM.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 08.02.2010 eine Sonderregelung für das Quartal I/09, lehnte aber eine solche für das hier streitbefangene Quartal II/09 ab. Zur Begründung erläuterte sie die einzelnen Berechnungsfaktoren des Regelleistungsvolumens und führte hinsichtlich der Ermittlung der Fallzahl für das Regelleistungsvolumen weiter aus, der Arztrechnung für das Quartal II/08 seien insgesamt 1.902 abgerechnete Fälle zu entnehmen. Abzuziehen seien 24 Fälle "sonstiger Kostenträger" und 8 Fälle, die außerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet würden. Es ergäben sich 1.878 regelleistungsvolumenrelevante Behandlungsfälle. Die Anzahl der...

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