Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsvertrag. Fachgruppe mit atypischen Versorgungsbedarf. Ermessenentscheidung über Ausnahme von den Regelleistungsvolumina durch KÄV. Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalls
Leitsatz (amtlich)
Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit kann dann vorliegen, wenn die Praxis einen zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdeckt. In diesem Fall ist eine Ermessensentscheidung über eine Ausnahme zu den Regelleistungsvolumina zu treffen. Es ist unzulässig, einen Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten. Ein Ausnahmefall liegt bei einem fachärztlich tätigen Internisten ebenso wie bei einem hausärztlich tätigen Internisten vor, der fast ausschließlich proktologische Fälle behandelt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für das Quartal II/05 sowie um die Zuerkennung einer Ausnahmeregelung für das Regelleistungsvolumen nach Ziffer 6.3 des Honorarverteilungsvertrages der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin ohne Schwerpunkt mit Praxissitz in A-Stadt seit 02.01.1980 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führt die seit November 2005 in die Weiterbildungsordnung eingeführte Zusatzbezeichnung Proktologie. Bis zum 30.06.2005 nahm er an der fachärztlichen Versorgung teil. Er führte mit Herrn EX. eine Gemeinschaftspraxis bis zum 01.04.2005, im Quartal II/05 eine Praxisgemeinschaft. Zum 01.07.2005 übernahm er die hausärztlich geführte Praxis des Herrn EX. und gab seinen Facharztsitz an den Gastroenterologen Herrn HB., mit dem er seitdem eine Praxisgemeinschaft führt. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der Ziffer 30600 EBM 2005 (Proktologie) ab dem 01.04.2005 (Bescheid vom 15.06.2005).
In den Quartalen seit dem Quartal II/05 nahm die Beklagte folgende Honorarfestsetzungen vor:
Es folgt eine Tabelle (1), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Es folgt eine Tabelle (2), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Es folgt eine Tabelle (3), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Mit Schreiben vom 25.02.2006 beantragte der Kläger die Aussetzung bzw. Erweiterung des Regelleistungsvolumens. Die Überschreitung sei Folge der rein proktologischen Ausrichtung, die er auch nach Wechsel in den hausärztlichen Versorgungsbereich beibehalten habe. Er rechne die Ziffern 30600, 30601, 30610 sowie 30611 EBM 2005 ab. Für einen proktologischen Fall benötige er 1.010 Punkte; hinzu kämen die Ordinationsgebühren, Gesprächsleistungen, Berichtspflicht sowie z. T. die Erhebung des Ganzkörperstatus, insgesamt durchschnittlich mindestens 1.500 Punkte. Eine Überweisung scheide aus, weil es in der Umgebung keinen proktologisch tätigen Kollegen gebe. In NU. sei hierfür eine Ermächtigung erteilt worden. Im hausärztlichen Bereich erbrächten lediglich fünf von 2.075 Praxen proktologische Leistungen. Eine Durchführung der notwendigen koloskopischen Leistungen sei angesichts des Regelleistungsvolumens nicht möglich. Das Regelleistungsvolumen müsse auf 1.400 Punkte erhöht werden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.06.2007 den Antrag auf eine Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale II/05 bis I/07 ab. Die Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen seien nach dem HVV für das Quartal II/05 wie folgt:
Es folgt eine Tabelle (4), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Für das Quartal ab III/05 seien die Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen nach dem HVV wie folgt:
Es folgt eine Tabelle (5), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Nach den Festlegungen des Vorstands der KV Hessen könne eine Sonderregelung nur bei Vorliegen einer Sicherstellungsproblematik erfolgen. Es komme auf einen Umkreis von 50 km an. Eine Überprüfung der Versorgungs- und Bedarfssituation habe ergeben, dass die Leistungen von weiteren Ärzten in der näheren Umgebung von A-Stadt erbracht werden würden. Eine Sonderregelung sei auch ausgeschlossen, wenn Auffüllbeträge nach Ziff. 7.5 HVV gewährt würden.
Hiergegen legte der Kläger am 25.06.2007 Widerspruch ein. Bei einer Honorarminderung um 20 % sei ein Härtefall gegeben. Bei ihm liege eine Minderung von 40 % bis 50 % vor. Unter Berücksichtigung der Auffüllbeträge liege die Minderung noch über 20 %. Der Umkreis von 50 km sei zu weit gefasst. In NU. bestehe ein Versorgungsengpass.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung legte sie nochmals die Höhe der Regelleistungsvolumina dar und führte weiter aus, das Regelleistungsvolumen führe nicht zu einem Ausschluss der Honorierung der durchgeführten Leistungen, sondern zu einer Bewertung der überschreitenden Honorarforderung zu einem unteren Punktwert. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe nicht. Im Vergleich zu seinen Fachkol...