Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall. Unfall nach Abstellen und verlassene eines Fahrzeugs auf freier Strecke als Wegeunfall
Orientierungssatz
Ein Anhalten mit einem Fahrzeug auf freier Strecke und ein Abstellen des Fahrzeugs am Fahrbahnrand sowie ein anschließendes Betreten der Fahrbahn stellen eine Unterbrechung des Weges von bzw. zur Arbeit dar, sodass ein dadurch eingetretener Unfall nicht als Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls angesehen werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Halt nicht durch einen Fahrzeugdefekt veranlasst wurde.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines tödlichen Unfallereignisses als Arbeitsunfall.
Am 10.01.2013 war der Ehemann bzw. Vater der Kläger auf der Bundesstraße B 251 bei F-Stadt zunächst von einem LKW des Zeugen G. gestreift worden. Dabei hatte er sich eine Fraktur am Arm zugezogen. Sein PKW war im Zeitpunkt dieses ersten Unfalles am rechten Fahrbahnrand mit geöffneter Motorhaube abgestellt gewesen. Der Fahrer des LKW – der Zeuge G. - hatte nach dem Unfall angehalten und sich nach dem Gesundheitszustand des Geschädigten erkundigt. Der Zeuge G. setzte die Fahrt nach eigenen Angaben jedoch fort, da der Ehemann bzw. Vater der Kläger Verletzungen verneint hatte. Der Zeuge G. informierte aber wegen Bedenken die Polizei. Beim Eintreffen der Polizei am Unfallort war der PKW nicht mehr am Straßenrand abgestellt. Ca. eine halbe Stunde später war der PKW an einer anderen Straßenstelle auf der B 252 erneut am rechten Fahrbahnrand mit geöffneter Motorhaube abgestellt worden. Der Ehemann bzw. Vater der Kläger wurde an dieser zweiten Unfallstelle tödlich von dem LKW des Zeugen H. erfasst. Der Verstorbene befand sich im Zeitpunkt des tödlichen Zusammenstoßes mit dem LKW auf der Fahrbahn. Die Einzelheiten sind streitig.
Es wurden umfangreiche Ermittlungen und Zeugenbefragungen durch die Polizei und Staatsanwaltschaft durchgeführt. U.a. wurde von der Polizei auch eine „Kurzgutachterliche Stellungnahme“ von einer Kfz Prüf- und Schätzstelle eingeholt. Nach dem Gutachten vom 18.01.2013 ließ sich ein Ausfall des Fahrzeuges während des Fahrbetriebes mit der Notwendigkeit des Anhaltens auf freier Strecke aus sachverständiger Beurteilung nicht bestätigen. Die Ergebnisse der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gelangten in die Verwaltungsakte.
Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 21.06.2013 lehnte die Beklagte die Zahlung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 10.01.2013 ab. In dem Bescheid wurde im Wesentlichen angeführt, dass der Verstorbene auf direkten Weg von der Arbeitsstätte zum Wohnort von einem LKW angefahren und verstorben war. Nach den polizeilichen Ermittlungen seien aber keinerlei Ursachen, welche das Zustandekommen des Ereignisses erklären könnten, nachgewiesen bzw. festgestellt. Es könne somit nicht geklärt werden, ob der Verstorbene unfreiwillig mit dem LKW zusammengestoßen sei oder ob er diesen Zusammenstoß herbeigeführt habe, um sich zu töten. Der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Tode führenden Verhalten könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen werden.
Die Ehefrau des Verstorbenen legte mit Schreiben vom 08.07.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.06.2013 ein. Zur Begründung wurde angeführt, dass wesentliche Tatsachen und Argumentationsketten sowie Indizien ausgeblendet worden seien, die gegen eine Selbsttötung sprechen würden. Konkret sei es verständlich, dass der Verstorbene nach Arbeiten am Motorraum seines PKWs nach vorne zur Straße trat, um das Fahrzeug für eine Prüfung zu starten. Insoweit sei es auch nicht auffällig, dass die Motorhaube geöffnet blieb. Auch sei aus technischer Sicht ein Defekt am PKW durchaus im Bereich des Möglichen. Eine Selbsttötung sei insgesamt auch nicht zwingend. Der Verstorbene habe seinen Haustürschlüssel vergessen und sei deshalb noch einmal zur Firma gefahren. Auch ein unauffälliges Telefonat mit einer Bekannten habe es gegeben. Außer der Tatsache, dass ein vergleichbares Verhalten sich wiederholt habe, würden keinerlei Anhaltspunkte für eine Selbsttötungsabsicht vorliegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Widerspruchsbegründung verwiesen.
Mit streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 04.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.06.2013 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass die betriebliche Zweckbestimmung der zum Unfall führenden Tätigkeit mit Gewissheit nachgewiesen sein müsse. Aufgrund der objektiven Tatsachenfeststellungen könne nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sich der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt bei einer versicherten Tätigkeit befand.
Die Ehefrau des Verstorbenen...