Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuerkennung einer Sonderregelung im Rahmen des versorgungsärztlichen Regelleistungsvolumens
Orientierungssatz
1. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) verteilt die Gesamtvergütung getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Dabei werden die vom Vertragsarzt erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, werden mit abgestaffelten Punktwerten honoriert.
2. Der Vorstand der KV ist berechtigt, Ausnahmen für sog. atypische Fälle vorzusehen. Die Beurteilung, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, unterliegt uneingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung. Der KV steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu.
3. Aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung kann die KV in einem Ausnahmefall praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vornehmen. Bei Feststellung der Sicherstellungsgründe kommt es nicht allein auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis an. Maßgebend ist der Versorgungsschwerpunkt einer Praxis.
4. Eine generelle Festlegung, wann ein Ausnahmefall vorliegt, kann nicht getroffen werden, weil es sich bei der Sonderregelung um eine Regelung für atypische Einzelfälle handelt. § 85 Abs. 4 und Abs. 4 a SGB 5 geben keine Vorgaben für differenzierte Ausnahmen. Daher ist immer anhand der konkreten Situation zu entscheiden, ob ein Ausnahmefall vorliegt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Zuerkennung einer Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten ab dem Quartal II/05.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Sie besteht aus zwei Ärzten. Frau Dr. med. C ist seit 01.07.1996 als Fachärztin für Chirurgie/Gefäßchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Herr Dr. med. D ist seit dem 01.04.2002 als Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit diesem Zeitpunkt besteht die Gemeinschaftspraxis. Die Ärzte der Klägerin sind in einem Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten in Praxisgemeinschaft mit zwei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig. Sie verfügen zudem beide über die Genehmigung zur Sonographie in der Gefäßdiagnostik sowie zum ambulanten Operieren. Frau Dr. med. C wurde ferner die Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen nach der Ziffer 02311 EBM 2005 (Behandlung des diabetischen Fußes) erteilt. Nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten wird die Klägerin der Arzt-/Fachgruppe der Fachärzte für Chirurgie zugeordnet. Sie gehört damit der Honorargruppe B 2.3 an und ist abrechnungstechnisch der VfG 17-00 zugeordnet.
Mit Honorarbescheid vom 27.06.2006 setzte die Beklagte für das Quartal II/05 das Bruttohonorar für den Primär- und Ersatzkassenbereich bei 1.692 Behandlungsfällen auf 176.310,74 € fest. Mit Honorarbescheid vom 11.06.2006 setzte sie für das Quartal III/05 bei 1.282 Behandlungsfällen das Bruttohonorar auf 108.126,29 € fest.
Am 16.02.2006 beantragte die Klägerin zusammen mit den weiteren Ärzten der Praxisgemeinschaft, ihr das Regelleistungsvolumen für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen und die Fallzahl zu erhöhen. Sie trugen vor, das Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten in A-Stadt bestehe seit nunmehr sechs Jahren und betreue jährlich ambulant und stationär ca. 14.000 Patienten. Mit Einführung des neuen EBM und insbesondere eines geänderten HVV - mit Wegfall der vorausgegangenen individuellen Vergleichsquartale - sei es bei den angiologisch tätigen Gefäßchirurgen zu einem dramatischen Einbruch der abrechenbaren Fallpunktzahl gekommen, der im Quartal II/05 mit einer Stützungsmaßnahme von 70.000,00 € lediglich habe abgefangen werden können. Nach Rückführung der Stützungsmaßnahmen werde dies jedoch zu einer Existenzvernichtung führen. Sie hätten bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Gruppe der Gefäßchirurgen nicht mit den übrigen Chirurgen verglichen werden könne. Ein Einkommensverlust mit bis zu 80 % könne von keiner Praxis mehr aufgegangen werden. Während bei den internistisch tätigen Angiologen mit PTA ein angiologischer Komplex von 1.665 Punkten pro Fall zur Anwendung komme mit einer Fallpunktzahl von bis 2.300 Punkten, könnten Chirurgen lediglich ca. 900 Punkte und weniger pro Fall abrechnen. Die Diagnostik sei absolut identisch. Sie könne nicht der Fachgruppe der Chirurgen zugeordnet werden, da sie ausschließlich auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie tätig sei, d. h. der Schwerpunkt ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit liege in der Diagnostik und Therapie der arteriellen, venösen und lymphatischen Erkrankungen. Im Rahmen der Diagnostik von arteriellen Verschlusskrankheiten sowohl der peripheren als auch der supraaortalen Gefäße ...