Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Vergütung. Abrechnungsprüfung. Job-Sharing. Berücksichtigung der vereinbarten bzw tatsächlichen Arbeitszeit. sachlich-rechnerische Berichtigungen wegen Implausibilität, Überschreitung der Obergrenzen für ein Job-Sharing-Verhältnis und wegen einer Honorarrückforderung. parallele Vornahme. Berücksichtigung zuvor ergangener Kürzungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine sog. Job-Sharing-Angestellte ist bei der Erstellung eines Tages- oder Quartalsprofils mit der vereinbarten bzw. tatsächlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen und nicht pauschal mit dem Faktor 0,25 in Relation zu einer vollen vertragsärztlichen Tätigkeit. Verstöße gegen die Vorgaben im Rahmen eines Job-Sharing-Verhältnisses können nicht im Wege der Plausibilitätsprüfung zu einer Honorarrückforderung führen.
2. Sachlich-rechnerische Berichtigungen wegen Implausibilität, Überschreitung der Obergrenzen für ein Job-Sharing-Verhältnis und wegen einer Honorarrückforderung (hier: Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV KV Hessen) können parallel vorgenommen werden. Im Rahmen der Festsetzung des Kürzungsbetrags sind die zuvor ergangenen Kürzungen zu berücksichtigen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 76.447,01 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Honorarberichtigung aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen für die acht Quartale II/05 bis I/07 in Höhe von insgesamt 76.447,01 € netto.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie seit 1990 mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal II/05 beschäftigte er noch bis zum 14.05.2005 die Ärztin im Praktikum Frau C.. Vom 28.06.2005 bis 31.12.2006 war bei ihm Frau Dr. RS. als angestellte Ärztin im Rahmen eines sog. Job-Sharing-Verhältnisses beschäftigt. Für die streitbefangenen Quartale setzte die Beklagte das Honorar wie folgt fest:
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II/05 |
III/05 |
IV/05 |
I/06 |
Honorarbescheid vom |
29.06.2006 |
12.08.2006 |
06.08.2007 |
20.01.2007 |
Nettohonorar gesamt in € |
117.126,37 |
97.573,27 |
95.242,95 |
105.672,62 |
Fallzahl gesamt |
1.492 |
1.380 |
1.359 |
1.479 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
116.798,04 |
97.071,47 |
98.125,46 |
106.624,09 |
Fallzahl PK + EK |
1.467 |
1.353 |
1.337 |
1.456 |
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Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV |
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Praxisbezogenes RLV in Punkten |
1.319.052,1 |
1.315.587,5 |
1.311.998,2 |
1.370.591,6 |
Überschreitung in Punkten |
3.386.140,9 |
2.181.111,5 |
2.498.113,3 |
2.816.143,9 |
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II/06 |
III/06 |
IV/06 |
I/07 |
Honorarbescheid vom |
04.02.2007 |
17.03.2007 |
18.04.2007 |
08.03.2008 |
Nettohonorar gesamt in € |
111.109,04 |
96.150,86 |
102.110,44 |
100.696,94 |
Fallzahl gesamt |
1.400 |
1.458 |
1.521 |
1.474 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
111.150,26 |
96.417,62 |
102.406,99 |
101.158,42 |
Fallzahl PK + EK |
1.379 |
1.438 |
1.503 |
1.457 |
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Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV |
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Praxisbezogenes RLV in Punkten |
1.346.612,8 |
1.375.297,9 |
1.604.643,8 |
1.413.119,7 |
Überschreitung in Punkten |
2.302.103,7 |
3.798.496,0 |
2.682.011,2 |
2.438.968,8 |
Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger unter Datum vom 22.09.2008 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für die Quartale II/05 bis I/07 unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.
Der Kläger erklärte hierzu, er habe im strittigen Zeitraum einen Arzt im Praktikum und einen Nervenarzt im Rahmen des Job-Sharings beschäftigt. Hierdurch habe er 1.440 Minuten pro Tag genehmigt bekommen. Diesen Zeitaufwand habe er an keinem Tag überschritten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.07.2010 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung für die Quartale II/05 bis I/07 die strittige Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 76.447,01 € netto fest. In den einzelnen Quartalen setzte sie die Rückforderung wie folgt fest:
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II/05 |
7.412,43 € netto |
III/05 |
10.037,44 € netto |
IV/05 |
4.051,82 € netto |
I/06 |
4.002,79 € netto |
II/06 |
10.708,73 € netto |
III/06 |
4.228,92 € netto |
IV/06 |
7.942,36 € netto |
I/07 |
28.062,53 € netto |
Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum EBM aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt werden. Außer Betracht blieben Leistungen im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis. Der Anhang 3 zum EBM kennzeichne darüber hinaus die behandlungsfall- und krankheitsfallbezogenen ärztlichen Leistungen, die nicht dem Tageszeitprofil unterlägen. Betrage die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens 3 Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachen Feststellungen und Bewertungen ...