Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Bildung einer statistischen Vergleichsgruppe. psychologischer Psychotherapeut. Differenzierung nach Fachrichtungen. Abrechnungsfähigkeit der Nr 23220 EBM-Ä neben laufenden Kurz- oder Langzeittherapien, in der Phase der Probatorik sowie nach beendeter Kurz- oder Langzeittherapie
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Bildung einer statistischen Vergleichsgruppe ist bei psychologischen Psychotherapeuten eine Differenzierung nach den verschiedenen Fachrichtungen geboten.
2. Die GOP 23220 EBM (juris: EBM-Ä 2008) ist grundsätzlich auch neben laufenden Kurz- oder Langzeittherapien sowie in der Phase der Probatorik abrechnungsfähig. Sie kann jedoch nicht zur Streckung von Therapiekontingenten genutzt werden. Vielmehr müssen sich die Gespräche von den Therapiesitzungen durch den beteiligten Personenkreis, den Inhalt oder den Zweck des Gesprächs unterscheiden. Dies ist im Rahmen der Einzelfallprüfung von den Prüfgremien zu ermitteln.
3. Die GOP 23220 EBM kann auch grundsätzlich nach beendeter Kurz- oder Langzeittherapie niederfrequent zur Stabilisierung des Therapieergebnisses genutzt werden. Dies ist nicht unwirtschaftlich.
Nachgehend
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 7. Januar 2016 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses in Höhe von 9.706,52€ aufgrund einer Einzelfallprüfung der Gebührenordnungsposition (GOP) 23220 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) im Jahr 2011.
Der Kläger ist als psychologischer Psychotherapeut seit dem 11. Februar 1999 in einer Einzelpraxis in A-Stadt niedergelassen und nimmt seitdem als Verhaltenstherapeut an der vertragspsychotherapeutischen/-ärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 informierte die Prüfungsstelle (PS) den Kläger über die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in den Quartalen l/2011 bis lV/2011 bezogen auf die GOP 23220 EBM (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung) und bat um Mitteilung eventuell bestehender Praxisbesonderheiten und kompensatorischer Einsparungen. Es seien die folgenden Überschreitungen im Verhältnis zur maßgeblichen Vergleichsgruppe (VG) der vollzugelassenen psychologischen Psychotherapeuten festgestellt worden:
|
Quartal |
GO-NR. |
Anz.-GO- Nr. pro 100-Fälle Arzt |
Durch. je Fall- Praxis |
Anz. GO- NR. pro 100- Fälle, VG |
Durch. je Fall ausf. Praxen-VG |
Abw. in % |
I/2011 |
23220 |
562 |
60,03 |
178 |
19,02 |
+ 215,62 |
II/2011 |
23220 |
507 |
54,24 |
187 |
20,02 |
+ 170,93 |
III/2011 |
23220 |
863 |
92,31 |
189 |
20,18 |
+ 357,43 |
IV/2011 |
23220 |
965 |
103,12 |
198 |
21,16 |
+ 387,33 |
ln seiner Stellungnahme vom 25. Januar 2014 erläuterte der Kläger, dass er praktisch ausschließlich Kurzeittherapien (KZT) durchführe. Dabei sei der von ihm abgerechnete 2- bis 3-fache (höhere) Ansatz der GOP 23220 EBM nicht unwirtschaftlich. Ganz im Gegenteil sei er durch die qualitativ hochwertiger KZT eher als wirtschaftlich (im Sinne der Krankenkasse) und als effizient (im Sinne der Patienten) zu sehen. Insbesondere sei es ihm darüber hinaus möglich gewesen, Wartezeiten für die Patienten zu vermeiden.
Die PS stellte eine Überschreitung bei den Ansätzen der GOP 23220 EBM im Vergleich zur VG im Umfang eines sog.,,offensichtlichen Missverhältnisses" fest und beauftragte eine Prüfreferentin, eine psychologische Psychotherapeutin, mit der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes der GOP 23220 EBM. Die Prüfreferentin führte aus, dass sie tiefenpsychologisch fundiert arbeite und ihre Prüfungstätigkeit nur aus dieser Sicht habe vornehmen können. Es erscheine ihr grundsätzlich sinnvoller, für die Prüfung jemanden zu bestimmen, der im gleichen Verfahren wie der zu überprüfende Psychotherapeut zugelassen sei. Sie kam auf der Grundlage der Prüfung für alle vier Quartale des Jahres 2011 - zusammengefasst - zu folgendem Ergebnis:
1. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei laufender KZT mehrfach die GOP 23220 EBM statt einer regulären (das heißt: im Antragsverfahren erfolgenden) Psychotherapie-Sitzung abgerechnet würde.
2. Es sei auch zu beanstanden, wenn während der Phase der probatorischen Sitzungen 40-, 50- oder 70-minütige therapeutische Gespräche abgerechnet würden und keine weitere GOP 35150 EBM (= probatorische Sitzung). Probatorische Sitzungen sollten ausschließlich dem Zweck dienen, festzustellen, ob ein Antrag auf Psychotherapie gestellt werden müsse. Auch wenn eine Behandlung insgesamt nur wenige Therapieeinheiten umfasse, so handele es sich doch um eine KZT, welche bei der für den Patienten zuständigen Krankenkasse hätte beantragt werden müssen.
3. Hingegen sei nicht zu beanstanden, wenn Erstgespräche als therapeutisches Gespräch bis zu acht Mal abger...