Entscheidungsstichwort (Thema)
Bürgergeld. Unterkunft und Heizung. Karenzzeit nach § 22 Abs 1 S 2 SGB 2. Übergangsregelung des § 65 Abs 3 SGB 2. erforderlicher Umzug in eine unangemessene Unterkunft ohne Zusicherung innerhalb der Karenzzeit. Anerkennung nur der angemessenen Unterkunftskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Seit der Corona-Pandemie im Bezug von Grundsicherungsleistungen stehende Antragsteller fallen unter die durch das Bürgergeld-Gesetz zum 1.1.2023 neu eingeführte Karenzzeit im Hinblick auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung von einem Jahr nach § 22 SGB II, weil gemäß § 65 Abs 3 SGB II Zeiten eines Leistungsbezugs bis 31.12.2022 unberücksichtigt bleiben.
2. Der erforderliche Umzug in eine kostenunangemessene Wohnung stellt jedoch eine nach § 22 Abs 4 SGB II zu berücksichtigende Zäsur während der Karenzzeit dar. Hierdurch entfällt der Schutzzweck des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, Leistungsberechtigen die vorhandene Wohnung und das bisherige Lebensumfeld zu erhalten, und höhere als angemessene Aufwendungen können nur bei vorheriger Zusicherung durch den Leistungsträger anerkannt werden.
3. Aus § 22 Abs 1 S 3 Halbs 2, Satz 6 SGB II kann nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass nach einem erforderlichen Umzug weiterhin die tatsächlichen Aufwendungen ohne Begrenzung unter Angemessenheitsgesichtspunkten anerkannt werden.
Tenor
I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.02.2023 bis 31.07.2023 vorläufig Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 851,78 Euro zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1/4 zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Gewährung der vollständigen, hilfsweise der bisherigen Kosten der Unterkunft und Heizung zuzüglich der Heizkosten für die ab 01.02.2023 neu angemietete Drei-Zimmer-Wohnung des Antragstellers.
Der am 1962 geborene Antragsteller steht seit September 2020 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Antragsgegner.
Er bewohnte alleine eine ca. 120 qm große Doppelhaushälfte in der R-Straße in E-Stadt mit einem monatlichen Mietzins von 1.050 Euro (990 Euro Grundmiete und 60 Euro Betriebskosten). Mit Bescheid vom 01.09.2022 gewährte der Antragsgegner dem Antragsgegner SGB II - Leistungen für den Zeitraum von September 2022 bis August 2023 in Höhe von 1.623,38 Euro (davon 449 Euro Regelbedarf, 1.050 Euro Kosten der Unterkunft und 124,38 Euro Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung).
Am 30.09.2022 informierte das Amtsgericht R1-Stadt den Antragsgegner, dass am 25.08.2022 aufgrund von Mietrückständen in Höhe von 5.250 Euro eine Räumungsklage gegen den Antragsteller eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom 17.11.2022 setzte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner darüber in Kenntnis, dass der Antragsteller verurteilt worden sei, die Doppelhaushälfte unter Gewährung einer Räumungsfrist bis 31.01.2023 zu räumen.
Mit Schreiben vom 18.11.2022 übermittelte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Übersicht über die aktuellen Mietobergrenzen und wies den Antragsteller darauf hin, dass vor Unterzeichnung eines neuen Mietvertrages dieser zur Genehmigung beim Antragsgegner vorgelegt werden müsse. Mit Änderungsbescheid vom 17.12.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller SGB II - Leistungen im Zeitraum von Januar bis August 2023 in Höhe von 1.676,38 Euro (davon 502 Euro Regelbedarf, 1.050 Euro Kosten der Unterkunft und 124,38 Euro Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) für Januar 2023 sowie in Höhe von monatlich 626,38 Euro (davon 502 Euro Regelbedarf und 124,38 Euro Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) für Februar bis April 2023.
Am 19.01.2023 beantragte der Antragsteller telefonisch den Umzug in eine ca. 86 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in der C-Straße in E-Stadt mit einem monatlichen Mietzins in Höhe von 1.464,05 Euro (davon 1.114,10 Euro Grundmiete, 170 Euro Heizung und Warmwasser, 129,95 Euro Betriebskosten und 50 Euro Miete Tiefgaragenstellplatz).
Daraufhin teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit E-Mail vom 19.01.2023 mit, dass die Kosten für die angebotene Wohnung bei einer Obergrenze für eine angemessene monatliche Bruttokaltmiete für eine Person von 561,22 Euro unangemessen hoch seien und dem Umzug nicht zugestimmt werde. Sollte der Antragsteller die Wohnung dennoch anmieten, werde nur die angemessene Bruttokaltmiete zuzüglich der Heizkosten in Höhe von 170 Euro und mithin 731,22 Euro monatlich anerkannt.
Mit Bescheid vom 30.01.2023 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Zustimmung zu dem Umzug ab, da die aktuelle Mietobergrenze für A-Stadt erheblich überschritten werde. Zusätzlich wurde dem Antragsteller noch ein aktuelles Informationsblatt mit den Richtwerten ab Januar 2023 übersendet.
Am 31.01.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Ant...