Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung

 

Orientierungssatz

1.Haben sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladene einen Vertrauenstatbestand mit dem Inhalt bei der Antragsgegnerin geschaffen, die Beigeladene sei aus Rechtssicht aller Beteiligten und in ihrer einvernehmlichen Vertragspraxis lediglich Erfüllungsgehilfin, stellt es ein widersprüchliches Verhalten dar und ist daher unbeachtlich, sich im jetzt ausgefochtenen Rechtsstreit auf die Eigenschaft der Beigeladenen als gleichberechtigte Vertragspartnerin zu berufen, um in diesem zu obsiegen.

2.Hat der Antragsteller die Antragsgegnerin vor die Wahl gestellt, entweder die von ihm gestellten Bedingungen vollständig und kurzfristig zu akzeptieren oder aber weiter die von ihr gerade abgemahnte schwerwiegende Vertragsverletzung hinzunehmen, stellt er mit dieser Verknüpfung seinen Unwillen klar, Abhilfe zu schaffen wie gefordert, und bekräftigt seine Entschlossenheit zum rechtsmissbräuchlichen Ausstieg aus dem Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV), sollte seinen Bedingungen nicht nachgekommen werden. Aufgrund dieses Verhaltens war der Antragsgegnerin die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zuzumuten, so dass sie nicht weiter an die von ihr zuvor gesetzte Abhilfefrist gebunden war und darüber hinaus nunmehr einen eigenständigen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertrages hatte.

 

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung vom 23. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller und die Beigeladene tragen je zur Hälfte die Kosten des Antragsverfahrens, einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.

 

Gründe

I. In Streit steht die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gem § 73 b SGB V in der Fassung vom 3. September 2009 (nachfolgend "HzV-Vertrag") der Antragsgegnerin vom 16. Dezember 2010. Der Antragsteller will im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes eine sofortige Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Sicherung seiner Rechte und zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Sicherstellung und Funktionsfähigkeit der ambulanten hausärztlichen Versorgung im Freistaat Bayern erreichen, weil er diese Kündigung für formell und materiell unwirksam hält. Die Antragsgegnerin führte im Schreiben vom 3. Dezember 2010 an den Antragsteller un-ter Betreff "Kündigung des HzV-Vertrages aus wichtigem Grund" zusammengefasst aus, dass angesichts des Aufrufs des Antragstellers zum "Systemausstieg" sowie der Ankündigung, die Krankenkassen, mithin auch die Antragsgegnerin, nach dem Systemausstieg durch Praxisschließungen zum Abschluss neuer Selektivverträge zwingen zu wollen, die Fortsetzung des HzV-Vertrages für die Antragsgegnerin unzumutbar sei. Der Antragsteller verletze seine vertragliche Loyalitätspflicht gemäß § 23 Abs. 1 a HzV-Vertrag und drohe damit, die Antragsgegnerin bei einem erfolgreichen "Systemausstieg" zu einem rechtswidrigen Verhalten zu zwingen: Der Antragsgegnerin sei es gesetzlich untersagt, zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages Verträge mit Ärzten zu schließen, die auf ihre Zulassung verzichtet hätten. Gleichwohl wolle der Antragsteller den Abschluss entsprechender Verträge durch Praxisschließungen erzwingen. Das Vorhaben des Antragstellers erweise sich damit nicht nur für sich genommen als rechtswidrig, sondern setze auch auf ein gesetzwidriges Verhalten seines Vertragspartners. Diesem Vorhaben müsse sich die Antragsgegnerin als auf die Einhaltung von Recht und Gesetz verpflichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts von vornherein bedingungslos widersetzen. Die Antragsgegnerin sehe sich daher gezwungen, den HzV-Vertrag aus wichtigem Grund nach § 18 Abs. 6 HzV-Vertrag zu kündigen. Der Antragsteller könne die Kündigung nur abwenden, wenn er bis spätestens zum 14. Januar 2010 schriftlich nachweise, dass er den Aufruf zum System-ausstieg durch Erklärung sowie Rundschreiben an alle seine Mitglieder zurückgenommen habe und er keinen kollektiven Zulassungsverzicht mehr betreiben oder unterstützen wer-de. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 entgegnete der Antragsteller dem insbesondere damit, dass er den teilnehmenden Hausärzten empfehlen würde, die Systemausstiegs-Diskussion zu beenden, wenn die Antragsgegnerin bereit wäre, eine Verlängerung des Hausarztvertrages bis zum 31.Dezember 2015 (ursprüngliche Laufzeit bis 31. Dezember 2011) zuzustimmen. Des Weiteren sei der Antragsteller bereit, die Forderung nach einer Absenkung der Fallwertobergrenze auf Euro 76,00 ab dem 1. Quartal 2011 zu akzeptieren. Aufgrund der Laufzeit und des in absehbarer Zeit absehbaren Anstiegs der Lebenshaltungskosten knüpfe der Antragsteller dies an die Zusage der Antragsgegnerin, die Fallwertobergrenze ab dem 01. Januar 2014 auf Euro 78,00 zu erhöhen. Der Antragsteller bitte um Verständnis, dass er aus organisatorischen Gründen um Rücksendung eines untersc...

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