Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft. unangemeldeter Hausbesuch. Beweiswürdigung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt ist eine Voraussetzung der Einstandsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II. Ein unangemeldeter Hausbesuch kann die tatsächliche unverfälschte Situation belegen und hat deshalb einen wesentlich höheren Beweiswert als ein angemeldeter Hausbesuch.
2. Ob ein Einstandswille vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen. Indizien, die auf selbstverfassten Erklärungen der Betroffenen beruhen wie zB ein Untermietvertrag, haben einen geringeren Beweiswert als äußere Umstände, wie zB gemeinsame Umzüge und Zusammenleben in einer Einzimmerwohnung ohne eigenen Rückzugsraum.
Tenor
I. Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller Lebensmittelgutscheine im Wert von 100,- Euro für Dezember 2019 und für die Monate Januar 2020 bis einschließlich März 2020 jeweils im Wert von 167,- Euro zur Verfügung stellen, falls der Antragsteller dies ausdrücklich beim Antragsgegner beantragt. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Eilverfahren Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Strittig ist, ob der Antragsteller in eheähnlicher Gemeinschaft mit Frau C. lebt, so dass deren Einkommen und Vermögen anzurechnen ist.
Der 1987 geborene unverheiratete Antragsteller ist laut seinem Lebenslauf Sozialversicherungsfachangestellter und lebte mehrere Jahre im Ausland. Von Mai 2015 bis Oktober 2016 bezog er Arbeitslosengeld II vom Jobcenter B-Stadt. Von August 2016 bis August 2017 arbeitete er als Spielzeugverkäufer. Danach bezog er bis April 2018 Arbeitslosengeld nach SGB III in Höhe von monatlich 687,- Euro.
Seit Mitte 2015 wohnt der Antragsteller zusammen mit Frau C., in C-Land, in verschiedenen Wohnungen in B-Stadt und ab Februar 2018 in A-Stadt.
Im April 2018 stellte der Antragsteller erstmals einen Leistungsantrag beim Antragsgegner. Dabei gab er an, bei einer Bekannten, Frau C., in der E-Straße in A-Stadt zur Untermiete zu wohnen. Dabei handelte es sich nach seinen Angaben um eine Wohnung mit einer Gesamtfläche von 43 Quadratmetern. Dazu legte er einen Untermietvertrag vor mit einer Untermiete von 425,- Euro bei einer Gesamtmiete von 800,- Euro. Nach dem Untermietvertrag hatte diese Wohnung ein Wohn-Schlafzimmer, ein Bad und eine Küche. Es bestehe laut Antragsteller keine Einstandsgemeinschaft mit Frau C.. Daraufhin wurde ab April 2018 Arbeitslosengeld II bewilligt.
Im Januar 2019 teilte der Antragsteller mit, dass er zum 01.02.2019 zusammen mit Frau C. in die A-Straße in A-Stadt umziehen werde. Diese Wohnung sei bereits möbliert. Laut Mietvertrag handelt es sich um eine Zweizimmerwohnung von 59,72 Quadratmeter Wohnfläche und einer Gesamtmiete von 1130,- Euro (davon 120,- Euro Betriebskosten); Mieterin ist allein Frau C.. Es ist eine Kaution von 2.910,- Euro zu zahlen. Die Genehmigung zur Untervermietung an eine Person wurde schon im Mietvertrag vereinbart. Vorgelegt wurde ein Untermietvertrag, wonach für 505,- Euro plus 60,- Euro Betriebskosten das eine Zimmer von 14,5 Quadratmetern an den Antragsteller vermietet wird und das Wohn-Schlafzimmer gemeinsam genutzt wird. Laut Untermietvertrag zahlt Frau C. die Kaution an den Hauptvermieter in voller Höhe selbst, der Antragsteller hat keine Kaution zu leisten.
Beim unangemeldeten Hausbesuch am 12.02.2019 verweigerte der Antragsteller den Mitarbeitern des Antragsgegners den Zutritt zur Wohnung. In der Erklärung zur Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (Formular VE) teilte der Antragsteller mit, dass er keinen Zugriff auf die Finanzen von Frau C. habe. Es bestehe keine Wirtschaftsgemeinschaft. Er unterstütze Frau C. nicht wirtschaftlich und Frau C. ihn nicht.
Mit Bescheid vom 26.03.2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller erneut Arbeitslosengeld II bis einschließlich September 2019. Wegen einer selbständigen Tätigkeit wurden die Leistungen nur vorläufig bewilligt und ein monatliches Nettoeinkommen von 333,33 Euro (bereinigt 186,66 Euro) angerechnet. In der nachfolgenden Einkommenserklärung EKS teilte der Antragsteller mit, im Bewilligungszeitraum keinerlei Einkommen erzielt zu haben.
Mit Bescheid vom 22.10.2019 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen ab 01.10.2019 ab. Es bestehe kein Leistungsanspruch, weil der Antragsteller in eheähnlicher Gemeinschaft mit Frau C. lebe und er die erforderlichen Unterlagen zu Einkommen und Vermögen von Frau C. nicht eingereicht habe. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Am 04.12.2019 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Die Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliege sei bereits im Frühjahr 2019 zugunsten des Antragstellers...