Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Arbeitslosengeld II. Nichtvorliegen einer wiederholten Pflichtverletzung. Umdeutung des Verwaltungsakts
Leitsatz (amtlich)
Eine wiederholte Sanktion kann teilweise aufgehoben bzw in eine erste Sanktion umgedeutet werden.
Orientierungssatz
§ 31a Abs 1 S 4 SGB 2 bedeutet zur Überzeugung des Gerichts, dass ein wirksamer Sanktionsbescheid bereits vor der Pflichtverletzung vorgelegen haben muss.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16.05.2017 gegen den Sanktionsbescheid vom 08.05.2017 wird angeordnet, soweit die Sanktion und die Aufhebung der Leistungsbewilligung 30 v.H des Regelbedarfs übersteigen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsgegner erstattet dem Antragsteller 85 v.H der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
III. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht München ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt B., B-Straße, A-Stadt beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe
I.
Streitig ist eine Sanktion wegen Nichtvorlage des Schriftverkehrs bei den Bewerbungsbemühungen im Februar 2017, die zum vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II des Antragstellers führte.
Der 1959 geborene Antragsteller bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Zuletzt war ihm Arbeitslosengeld II für den Zeitraum von November 2016 bis einschließlich Oktober 2017 bewilligt worden.
Nachdem der Antragsteller eine bei der persönlichen Vorsprache am 21.10.2016 ausgehändigte Eingliederungsvereinbarung nicht unterschrieben zurückgesandt hatte, wurde am 24.10.2016 ein Eingliederungsverwaltungsakt auf Basis des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II mit Geltungsdauer vom 24.10.2016 bis 23.04.2017 erlassen. Darin war als Verpflichtung des Antragstellers u.a. vorgesehen: “Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung im Turnus von monatlich - beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung - jeweils mindestens fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber jeweils zum 30. eines Monats, beginnend mit dem 30.10.2016, folgende Nachweise vor: Liste Eigenbemühungen und Schriftverkehr mit dem Arbeitgeber„. Zugleich wurde der Antragsteller zur Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit in der Stadtbibliothek der Landeshauptstadt A-Stadt verpflichtet. Am 02.11.2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt ein und wandte sich an das Sozialgericht München im Wege des einstweiligen Rechtschutzes. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Eingliederungsverwaltungsakt wurde mit Beschluss vom 06.12.2016 abgelehnt (S 40 AS 2580/16 ER); die Beschwerde dagegen wurde mit Beschluss des BayLSG vom 12.01.2017 zurückgewiesen (L 7 AS 913/16 B ER). Der Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2016 zurückgewiesen. Dies ist Gegenstand des Verfahrens S 40 AS 2812/16.
Mit Bescheid vom 14.12.2016 wurde eine Sanktion über 30 % des Regelbedarfs für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.03. 2017 festgestellt. Dem Antragsteller sei am 11.11.2016 eine Arbeitsgelegenheit bei der Münchner Stadtbibliothek angeboten worden, er habe sich jedoch trotz Kenntnis der Rechtsfolgen geweigert, diese Arbeitsgelegenheit aufzunehmen. Als Basis der Sanktion wurde § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II genannt. Im Sanktionsbescheid wird darauf hingewiesen, dass “bei wiederholter gleichartiger Verletzung der Pflichten nach § 31 Abs. 1 SGB II - diese Sanktion wird aufgrund § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II erlassen - der Ihnen zustehende Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten um 60 % der Ihnen zustehenden Regelleistungen (404 Euro) gemindert wird„. Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte des Antragstellers am 23.12.2016 Widerspruch ein. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde durch das Sozialgericht München mit Beschluss vom 01.02.2017 abgelehnt (S 40 AS 3038/16 ER). Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, dies ist Gegenstand des Verfahrens S 40 AS 180/17.
Mit E-Mail vom 31.10.2016 legte der Antragsteller seiner Arbeitsvermittlerin eine Nachweisliste über Eigenbemühungen für Oktober 2016 vor und bat für die Vorlage des Schriftverkehrs mit den Arbeitgebern um einen Termin. Mit Antwort-Mail vom 02.11.2016 wies die Arbeitsvermittlerin darauf hin, dass ein gesonderter Termin für die Vorlage nicht notwendig sei, und bat um Weiterleitung der E-Mails des Antragstellers und der Antworten der Arbeitgeber. Mit Mail vom 03.11.2016 teilte der Antragsteller mit, dass er die Weiterleitung der Bewerbungen per E-Mail an Dritte aus datenschutzrechtlichen Gründen kritisch sehe. Er sei jedoch aufgrund der ihm auferlegten Mitwirkungspflicht bereit, die ausgedruckten Bewerbungen und Antworten persönlich zur Einsicht vorzulegen. In der Antwort-Mail teilte die Ar...