Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Lichtbild auf der elektronischen Gesundheitskarte. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 291 Abs 2 S 4 SGB 5, wonach die elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen ist, ist sowohl mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als auch mit der Religionsfreiheit vereinbar.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausstellung einer Gesundheitskarte ohne Foto hat.

Mit Schreiben vom 10.12.2015 bat der Kläger die Beklagte um Entscheidung seines Antrags auf Ausstellung einer Gesundheitskarte ohne Foto. Seine Religion verbiete ihm die Einsendung eines Fotos an die Krankenkasse.

Mit Bescheid vom 21.12.2015 lehnte die Beklagte die Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte ohne Lichtbild ab. Die elektronische Gesundheitskarte sei zwingend erforderlich gemäß § 15 Abs. 2 SGB V. Zu den für die Ausstellung der Gesundheitskarte erforderlichen Daten gehöre ein Lichtbild. Es gebe Ausnahmefälle hiervon, diese würden jedoch auf den Kläger nicht zutreffen.

Mit Schreiben vom 24.12.2015 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein.

Die Beklagte hörte den Kläger nochmals an und erläuterte, dass religiöse Gründe zu einer Ausnahme vom Lichtbilderfordernis führen könnten. Es sei jedoch erforderlich, dass der Kläger seine Religionszugehörigkeit mitteile und erläutere, weshalb diese ihm das Anfertigen eines Lichtbildes verbiete. Der Kläger erwiderte hierzu, dass er nach Art. 140 GG, 136 Abs. 3 WRV nicht verpflichtet sei, seine Religionszugehörigkeit zu offenbaren.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2016 als unbegründet zurück. Die elektronische Gesundheitskarte könne nach § 291 Abs. 2 SGB V ohne Lichtbild ausgestellt werden, wenn dem Versicherten die Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist. Hierunter könnten religiöse Gründe gefasst werden. Die Gründe seien von der Krankenkasse im Einzelfall ausführlich abzuwägen. Hierzu sei erforderlich, dass ihr mitgeteilt und geschildert werde, warum der Glaube das Anfertigen eines Lichtbildes nicht zulasse. Die alleinige Aussage, einer Glaubensgemeinschaft anzugehören, die das Ablichten von Menschen verbietet, reiche nicht aus.

Hiergegen hat der Kläger am 04.03.2016 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er habe sich aus religiösen und schwerwiegend datenschutzrechtlichen Bedenken geweigert, ein Foto zur Ausstellung der sog. elektronischen Gesundheitskarte einzuschicken. Er sei nicht verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Mit Schreiben vom 20.09.2016 teilte der Kläger mit, dass er einer verhältnismäßig neuen Religion, den C. angehöre. Durch Transparenz und Teilen von Informationen und Verhinderung von Überwachung könne man sein Glück und Erfüllung finden. Die Religion verfüge über ein alle Lebensbereiche umfassendes geschlossenes Weltbild. Es sei empfohlen sich einmal im Monat für die ungestörte Religionsausübung zu treffen. Die Weigerung der Gesundheitskarte habe einen konkreten Bezug zum religiösen Bekenntnis, da die Überwachung als Verbot durch ein höheres Wesen generell abgelehnt werde. Ihr Papst sei G., das Buch ... die Bibel. Die grundrechtliche geschützte Gewissensfreiheit erfasse auch die Freiheit, nicht staatlich zum Bestellen der Gesundheitskarte verpflichtet zu werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine sog. elektronische Gesundheitskarte ohne Foto auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 01.07.2016 sind die Beteiligten zu einer möglichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

2. Die zulässige Klage ist unbegründet.

3. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte ohne Lichtbild. Es handelt sich vorliegend um eine Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

4. Die Klage ist statthaft und wurde formgerecht erhoben. Die Klage ist auch fristgerecht im Sinn des § 87 SGG erhoben worden. Der Widerspruchbescheid trägt das Datum vom 29.01.2016. Die Aufgabe zur Post ist nicht dokumentiert. Damit kann das Gericht die Bekanntgabe des Widerspruchbescheids und damit auch den Beginn des Fristlaufs nicht zweifelsfrei feststellen. Die Klage gilt deshalb als rechtzeitig erhoben (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 87, Rn.4d).

5. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen An...

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