Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Übernahme von Bestattungskosten. Kostentragungspflicht. Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung. Bestattungsrecht. vorrangig Bestattungspflichtiger
Orientierungssatz
1. Da Gegenstand des Anspruchs nach § 74 SGB 12 nicht die Bestattung als solche, sondern der Kostenersatz im Zeitpunkt des Fälligwerdens der jeweiligen Verpflichtungen ist, ist maßgeblich, ob zum Zeitpunkt des Fälligwerdens der Zahlverpflichtungen eine Stellung als Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB 12 gegeben ist.
2. Zur Tragung der Bestattungskosten ist bei bestattungsrechtlicher Rangfolge nur der vorrangig Bestattungspflichtige verpflichtet, nicht der lediglich nachrangig Verpflichtete; dies gilt auch, wenn die nach Bestattungsrecht lediglich nachrangig verpflichtete Person tatsächlich das Bestattungsunternehmen beauftragt hat.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin macht die Übernahme von Bestattungskosten für ihre verstorbenen Mutter, Frau O., geltend.
Die 1969 geborene Klägerin bezieht Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII.
Am 19. Mai 2019 verstarb die in B-Stadt lebende Mutter der Klägerin. Sie hinterließ als Angehörige ihren Ehemann sowie die Klägerin und den in der Ukraine lebenden Bruder (geb. 1962) der Klägerin. Sowohl die Verstorbene als auch der Ehemann waren ukrainische Staatsbürger.
Die Verstorbene hatte zusammen mit ihrem Ehemann seit Januar 2019 Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII und Hilfe zur Pflege) vom Bezirk Oberbayern erhalten.
Die Klägerin beauftragte am 20. Mai 2019 die israelitische Kultusgemeinde mit der Bestattung ihrer Mutter und trat einen eventuellen Anspruch auf Leistungen nach § 74 SGB XII an die Kultusgemeinde ab. Zugleich wurde die Kultusgemeinde auch bevollmächtigt, einen Antrag auf Leistung nach § 74 SGB XII beim Träger zu stellen, sowie beauftragt, falls eine Abtretung ausscheide, den Anspruch im Namen der Klägerin geltend zu machen. Diese Unterlagen samt einer Rechnung vom 31. Juli 2019 über 8750 € für die Bestattung übermittelte die Kultusgemeinde am 31. Juli 2019 an die Beklagte (Eingang dort am 2. August 2019).
Am 2. August 2019 stellte auch der Ehemann der Verstorbenen und Vater der Klägerin einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Bestattung. Am 21. September 2019 erweiterte der Ehemann den Antrag um die Kosten für ein Grabmal (Angebot der S. vom 17. September 2019 über 3300 €). Am 23. November 2019 verstarb der Vater der Klägerin jedoch. Am 17. Januar 2020 (notariell beglaubigt) hat die Klägerin die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen.
Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 29. Januar 2020, gerichtet an die israelitische Kultusgemeinde, das vom Ehemann der Verstorbenen eingeleitete Antragsverfahren (Bestattungskosten der Ehefrau) ein.
In der Folge (Eingang bei der Beklagten am 8. September 2020) übermittelte die Klägerin eine notariell beglaubigte Erklärung vom 4. September 2020, gerichtet an das Amtsgericht B-Stadt, wonach sie und ebenso ihr volljähriger Sohn, das Erbe nach ihrer Mutter aus jedem Berufungsgrund ausschlagen. Des Weiteren legte sie auch eine notariell beglaubigte Erklärung (vom 3. September 2020) des in der Ukraine lebenden Bruders vor, wonach auch dieser auf das Erbe nach seiner Mutter verzichtet.
Eine Sachstandsanfrage der israelitischen Kultusgemeinde B-Stadt (5. Oktober 2020) beantwortete die Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 damit, dass im Falle der verstorbenen Frau O. keine Bestattungskosten geleistet würden, weil der alleinige Anspruchsinhaber, der Ehemann, am 23. November 2019 verstorben ist. Ein Sozialhilfeanspruch sei nicht vererbbar. Das Verfahren werde eingestellt. Dieses Schreiben erhielt die Klägerin im Abdruck zur Kenntnis (26. Oktober 20120).
Am 19. November 2020 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte. Das der Klägerin übermittelte Schreiben an die Kultusgemeinde sei als Ablehnung des Antrags auf Kostenerstattung zu werten. Dagegen lege die Klägerin Widerspruch ein. Auch ein Sozialhilfeanspruch sei vererbbar, wenn der Hilfebedürftige den Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung vorleistenden Dritten gedeckt habe. Im hiesigen Falle sei daher eine Ausnahme vom Grundsatz der Unvererbbarkeit eines Sozialhilfeanspruchs zu machen. Daneben sei die Klägerin ohnehin auch ordnungsrechtlich zur Bestattung verpflichtet gewesen und ihre Bitte auf Übernahme der Beerdigungskosten sei als Antrag zu werten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 12. Januar 2021 als unbegründet zurückgewiesen. Allein der Ehemann der Verstorbenen sei verpflichtet gewesen, die Kosten der Bestattung seiner Ehefrau, der Mutter der Klägerin zu tragen. Dieser Anspruch sei aber mit dem Tod des Vaters der Klägerin untergegangen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 11. Februar 2021. Die...