Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Gebot der persönlichen Leistungserbringung. ärztliche Verordnung. eigenhändige Unterschrift

 

Orientierungssatz

1. Die Abrechnungen eines Vertragsarztes sind unrichtig, wenn auch Leistungen abgerechnet worden sind, die der Vertragsarzt unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung nicht selbst erbracht hat.

2. Das Ausstellen von Verordnungen gehört zum Bereich der ärztlichen Tätigkeiten, die vom zugelassenen Vertragsarzt persönlich zu erbringen sind. Der Vertragsarzt als verschreibende Person ist auch zur eigenhändigen Unterschrift verpflichtet; eine Delegation der Unterschrift an einen anderen Arzt oder eine sonstige dritte Person ist nicht zulässig.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.06.2017; Aktenzeichen B 6 KA 73/16 B)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der Honorarbescheide und die Neufestsetzung des vertragsärztlichen Honorars für die Quartale 1/2007 bis 2/2008 im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung wegen nicht persönlicher Leistungserbringung sowie eine daraus resultierende Rückforderung in Höhe von 57.157,81 €.

Der Kläger ist als hausärztlicher Internist seit 1.10.2002 zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen und war ab 1.1.2005 in einer Praxisgemeinschaft mit der Gemeinschaftspraxis P1./S. tätig.

Dem Kläger wurde durch die Beklagte am 31.1.2007 der Betrieb einer Filialpraxis in der ehemaligen Praxis von M. genehmigt. M. hatte seine Praxis im Jahr 2006 aus Altersgründen aufgegeben.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16.3.2008 die Einleitung eines Plausibilitätsverfahrens wegen auffälligen Zeitaufwandes für die Quartale 1/2007 und 2/2007 mit. Es seien Behandlungsleistungen mit einer Prüfzeit von 1.124,57 Stunden im Quartal 1/2007 und von 1.084,47 Stunden im Quartal 2/2007 sowie in beiden Quartalen jeweils mindestens an drei Tagen Behandlungsleistungen mit einer Prüfzeit von mehr als 12 Stunden abgerechnet worden. Damit seien die Aufgreifkriterien für eine Plausibilitätsprüfung erfüllt.

Der Kläger führte in seiner Stellungnahme vom 26.5.2008 aus, dass in Zeiten der Vertretung der Gemeinschaftspraxis P1./ S. zur Aufrechterhaltung der Patientenversorgung M. in der Praxis mitgearbeitet habe. Die Urlaubstage der Gemeinschaftspraxis P1./ S. wurden durch den Kläger mit Schreiben vom 23.9.2008 mitgeteilt.

Die Beklagte forderte am 21.10.2008 bei der AOK Bayern die von der klägerischen Praxis ausgestellten Rezepte für die Quartale 1/2007 bis 2/2008 an.

Nach Auswertung der Rezepte unterbreitete die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29.6.2009 ein Angebot zum Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung für die Quartale 1/2007 bis 2/2008. Die Abrechnungen des Klägers seien sachlich-rechnerisch zu berichtigen, da in den genannten Quartalen zahlreiche Rezepte nicht vom Kläger unterschrieben worden seien. Es sei daher davon auszugehen, dass die abgerechneten Leistungen nicht vollständig vom Kläger erbracht worden seien.

Mit Schreiben vom 15.7.2009 bestellte sich die Bevollmächtigte des Klägers.

Im Plausibilitätsgespräch am 15.10.2009 wurde nach der Niederschrift der Beklagten durch die Bevollmächtigte des Klägers eingeräumt, dass Rezepte durch M. unterschrieben worden seien. Patienten, die nur ein Folgerezept benötigt hätten, seien an die ca. 400m entfernte Filialpraxis verwiesen worden, um in der überfüllten Hauptpraxis nicht zu lange warten zu müssen. Aus den verordneten Medikamenten könne abgeleitet werden, dass es sich um Folgeverordnungen gehandelt habe. Der Kläger selbst gab an, dass es möglich gewesen sei, dass aufgrund der schwierigen Platzsituation und der wachsenden Patientenzahl Rezepte von Kollegen unterzeichnet worden seien, wenn diese sich im Empfangsbereich aufgehalten haben und der Kläger selbst in einem längeren Gespräch war. Unter Umständen könne auch ein Kollege den falschen Rezeptblock erwischt haben.

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 4.2.2010 die Honorarbescheide für die Quartale 1/2007 bis 2/2008 insoweit zurück, als sie den Honoraranspruch für Regional- und Ersatzkassen betrafen, setzte die Honorare neu fest und forderte den Differenzbetrag in Höhe von 69.763,16 € zwischen bereits ausgezahlten und neu festgesetzten Honoraren vom Kläger zurück. Dabei entfiel ein Anteil von 57.157,81 € auf den Vorwurf der nicht persönlichen Leistungserbringung aufgrund der nicht vom Kläger, sondern von M. oder anderen Personen unterschriebenen Rezepte und ein Betrag von 10.571,20 € auf den Vorwurf der Abrechnung ungerechtfertigter Vertreterfälle innerhalb der Praxisgemeinschaft.

Der Vertragsarzt habe die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben, wobei auch die Tätigkeit durch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte ihm zugerechnet werde. In den streitigen Quartalen habe der Kläger über keine Genehmigung für die Anstellung eines Arztes verfügt. Aus den angeforderten Rezepten sei deutlich geworden, dass d...

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