Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung vertragsärztlicher Leistungen. Abrechnung der Nr 06225 EBM-Ä 2011 durch eine konservativ und operativ tätige Augenärztin. Rechts- und Verfassungswidrigkeit der Präambel 6.1 Nr 6 und Nr 06225 EBM-Ä 2011

 

Orientierungssatz

1. Eine konservativ und operativ tätige Augenärztin ist berechtigt, die Nr 06225 EBM-Ä entgegen der laufenden Nr 6 in der Präambel 6.1 des EBM (juris: EBM-Ä 2008) auch dann abzurechnen, wenn sie eine der folgenden Leistungen erbracht und berechnet hat: 31101 bis 31108, 31321 bis 31328, 31331 bis 31338, 31350, 31351, 31362 sowie 31801, 36101 bis 36108, 36321 bis 36328, 36331 bis 36338, 36350, 36351 und 36801, oder sie Leistungen der intravitrealen Injektion oder der operativen intraokularen Medikamenteneinbringung im Rahmen der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 3 SGB 5 oder im Rahmen von regionalen Vereinbarungen oder im Rahmen anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen erbracht und berechnet hat.

2. Die Präambel 6.1 Nr 6 EBM (juris: EBM-Ä 2008) in der Fassung des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs 1 S 1 SGB V in seiner 262. Sitzung zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vom 31.8.2011 und Nr 06225 EBM (juris: EBM-Ä 2008) verstoßen gegen § 87 SGB 5 und Art 3 GG.

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Klägerin als konservativ und operativ tätige Augenärztin berechtigt ist, die GOP 06225 EBM entgegen der laufenden Nr. 6 in der Präambel 6.1 des EBM auch dann abzurechnen, wenn sie eine der folgenden Leistungen erbracht und berechnet hat: 31101 bis 31108, 31321 bis 31328, 31331 bis 31338, 31350, 31351, 31362 sowie 31801, 36101 bis 36108, 36321 bis 36328, 36331 bis 36338, 36350, 36351 und 36801, oder sie Leistungen der intravitrealen Injektion oder der operativen intraokularen Medikamenteneinbringung im Rahmen der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V oder im Rahmen von regionalen Vereinbarungen oder im Rahmen anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen erbracht und berechnet hat.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Feststellungsklage ist die Abrechnungsfähigkeit der Ziff. 06225 (EBM 2000 plus; im folgenden ohne Zusatz), die zum 01.01.2012 eingeführt wurde.

Die Klägerin ist als Augenärztin zugelassen und behandelt nach ihren Angaben pro Quartal zwischen 2.200 und 2.400 Patienten schwerpunktmäßig konservativ. Zu einem geringen Anteil ist sie aber auch operativ tätig (60-80 Patienten pro Quartal; in der Hauptsache Kateraktoperationen). Als durchschnittliches Honorar pro Quartal werden von der Klägerseite 100.000 EUR angegeben, wovon 35.000 EUR auf Operationen entfielen. Allgemein wurde ausgeführt, operative Methoden nähmen in der Augenheilkunde immer mehr zu. Nach der Weiterbildungsordnung (WBO) gebe es auf dem Gebiet der Augenheilkunde nicht wie in anderen Fachgebieten Subspezialisierungen, Schwerpunkte und Zusatzbezeichnungen, weshalb sich dieses Fachgebiet durch große Homogenität auszeichne.

Der Bewertungsausschuss habe in seiner 262. Sitzung am 31.08.2011 die Präambel 6.1. Nr. 6 im EBM neu gefasst. Während es zu einer Absenkung der Punktzahlen bei den augenärztlichen Grundpauschalen ( Ziff. 06210-06212 EBM) gekommen sei, sei zusätzlich die Ziff. 06225 eingefügt worden.

Die Feststellungsklage nach § 55 SGG sei auch zulässig. Für das Feststellungsinteresse spreche, dass die genannte Abrechnungsposition ab 01.01.2012 unbefristete Zeit gelte. Die Klägerin habe ein Interesse daran, zu wissen, ob die Leistung abrechenbar sei, bevor sie die Leistung erbringe und abrechne. Ihr sei nicht zuzumuten, Quartal für Quartal eine Vielzahl von Streitigkeiten zu führen (BSG, Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 12/04 R; LSG Hessen, Urteil vom 02.02.2011, Az L 11 KA 36/09; BSG, Urteil vom 03.02.2010, Az B 6 KA 31/08 R). Durch die Änderungen der augenärztlichen Grundpauschalen und die Einfügung der Ziff. 06225 würden der Klägerin je Quartal 24.000 EUR nicht vergütet, die sie mit Einstellung der operativen Tätigkeit erhalten würde. Insofern bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Es gehe auch nicht um die Gültigkeit des EBM beziehungsweise der Gebührenordnungsposition 06225, sondern um die konkrete Anwendbarkeit auf die Klägerin.

Die Klage sei auch begründet. Denn die Änderungen hätten auch eine unzulässige Steuerungswirkung. Im Ergebnis werde für den Augenarzt eine Prämie bezahlt, damit dieser es unterlasse, operativ tätig zu werden. Darüber hinaus werde mit der Ziff. 06225 nur eine inhaltlich ärztliche Leistung - hier Arzt-Patienten-Kontakt - honoriert, die bereits Leistungsinhalt der Grundpauschalen ( Ziff. 06210-06212 EBM) sei. Dies stelle einen Verstoß gegen § 87 Abs. 2 SGB V und Art. 3 Grundgesetz dar. Hinzu komme, dass das verfolgte Steuerungsziel im Wertungssystem des SGB V keine Anerkennung verdiene. Wie sich aus der Weiterbildungsordnung (WBO) ergebe, sei das Fachgebiet Augenheilkunde nicht weiter aufgeteilt. Operationen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge