Entscheidungsstichwort (Thema)
Bayerisches Landespflegegeld. Nichtvererblichkeit des Anspruchs. kein Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB 1
Leitsatz (amtlich)
Die Sonderrechtsnachfolge nach Art 4 Abs 2 BayLPflGG (juris: PflGG BY) iVm § 56 SGB I wird hinsichtlich des Anspruchs auf Landespflegegeld nicht durch die Regelung des Art 2 Abs 4 S 3 BayLPflGG ausgeschlossen, wonach der Anspruch auf Landespflegegeld nicht vererblich ist.
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 04.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2020 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Landespflegegeld für das Pflegegeldjahr 2018/19 für ihren verstorbenen Ehemann P2 in Höhe von 1.000 Euro zu zahlen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Ausschluss der Vererblichkeit des Landespflegegeldes nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG).
Der Ehemann der Klägerin P2 (nachfolgend: der Pflegebedürftige) war seit dem 01.01.2017 von der AOK Bayern Pflegekasse in mindestens den Pflegegrad 2 eingestuft, wobei sich der Pflegegrad nach Angaben der Klägerin bis zu seinem Tode auf bis zu Pflegegrad 5 erhöhte.
Am 09.07.2018 stellte der Pflegebedürftige einen Antrag auf Landespflegegeld. Mit Bescheid vom 31.08.2018 bewilligte der Beklagte Landespflegegeld für das Pflegegeldjahr 2018 in Höhe von 1000 €. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass für die Gewährung des Landespflegegeldes in den Folgejahren keine erneute Antragstellung erforderlich sei.
Am 11.10.2019 verstarb der Pflegebedürftige. Das Landespflegegeld für das bis dahin bereits abgelaufene weitere Pflegegeldjahr 2018/19 hatte er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausbezahlt bekommen.
Am 18.10.2019 rief die Nichte und spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Beklagten an und fragte nach, warum das Landespflegegeld für das Pflegegeldjahr 2018/19 noch nicht ausbezahlt sei. Dabei teilte sie mit, dass der Pflegebedürftige am 11.10.2019 verstorben sei. Die Mitarbeiterin des Beklagten äußerte daraufhin, dass es deshalb zu keiner Auszahlung mehr kommen werde.
Am 12.11.2019 ging beim Beklagten ein Schreiben der Klägerin ein, in dem diese nochmals das Versterben ihres Ehemannes anzeigte und darauf hinwies, dass sie mit der telefonisch angekündigten Nichtauszahlung des Landespflegegeldes nicht einverstanden sei.
Mit Bescheid vom 04.02.2020 lehnte der Beklagte, vertreten durch das Bayerische Landesamt für Pflege, den Antrag vom 09.07.2018 auf Bewilligung von Landespflegegeld für das Pflegegeldjahr 2018/19 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Art. 2 Abs. 4 Satz 3 BayLPflGG der Anspruch auf Landespflegegeld nicht abtretbar, nicht pfändbar und nicht vererblich sei. Aufgrund der Nichtvererblichkeit sei der Anspruch auf Landespflegegeld mit dem Versterben des Pflegebedürftigen erloschen.
Den gegen diesen Bescheid am 27.02.2020 eingelegten Widerspruch wies das Bayerische Landesamt für Pflege mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2020 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 05.05.2020 beim Sozialgericht München Klage.
Die Klägerin macht geltend, es könne nicht sein, dass der Anspruch erlösche, wenn der Beklagte das am 01.10.2019 fällig gewordene Landespflegegeld nicht rechtzeitig auszahle und der Pflegebedürftige vorher versterbe. Ein Verwandter habe das Landespflegegeld bereits am 07.10.2019 ausbezahlt bekommen, was zeige, dass eine rechtzeitige Auszahlung möglich gewesen wäre. Der Verstorbene und die Klägerin hätten während des fraglichen Pflegegeldjahres 2018/19 eine schwere Zeit mit unzähligen Zuzahlungen und anderen Belastungen verbracht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 04.02.2020 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.04.2020 aufzuheben und den Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Landespflegegeld für das Pflegegeldjahr 2018/19 für ihren verstorbenen Ehemann P2 in Höhe von 1000 Euro zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte weist darauf hin, dass eine Auszahlung des Landespflegegeldes genau zum 1. Oktober eines Jahres technisch nicht möglich sei, da eine der Anspruchsvoraussetzungen darin bestehe, dass am 30. September des jeweiligen Jahres der Hauptwohnsitz in Bayern gelegen haben müsse. Dies könne inzwischen per Datenabgleich für alle etwa 360.000 Berechtigten in Bayern vom 30. September auf den 1. Oktober innerhalb von 24 Stunden geprüft werden, jedoch nehme die anschließende verwaltungsmäßige Abwicklung und Auszahlung einige Tage in Anspruch. Im vorliegenden Fall sei es zu weiteren Verzögerungen dadurch gekommen, dass der Kläger in seinem Antrag vom 09.07.2018 die Postleitzahl unrichtig angegeben habe. Die unrichtige Postleitzahl sei auch in den Bescheid vom 31.08.2018 übernommen worden, der - wohl weil die Postleitzahl nur in der letzten Ziffer unrichtig gewesen sei - trotzdem beim Pflegebedürftigen angekommen sei. Beim automatischen Datenabgleich habe die unrichtige Postleit...