Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Elterngeld: Wegfall des Elterngeldanspruchs bei Überschreiten der gesetzlich bestimmten Jahreseinkommensgrenze. Anforderungen an die Annahme eines gemeinsamen Haushaltes bei berufsbedingt getrennter Haushaltsführung von Eheleuten

 

Orientierungssatz

1. Bei der Ermittlung des Elterngeldanspruchs ist für die Beurteilung eines gemeinsamen Haushalts der Eltern eines Kindes auf den allgemeinen sozialrechtlichen Haushaltsbegriff abzustellen.

2. Eheleute führen auch dann einen gemeinsamen Haushalt im Sinne der Vorschriften zum Elterngeld, wenn sie zwar berufsbedingt zwei getrennte Wohnsitze unterhalten, jedoch ungeachtet davon in einer durch gegenseitige Fürsorge und Zuwendung sowie gegenseitiger Verantwortlichkeit geprägten Familiengemeinschaft leben und gemeinsame Familienzeit in einer der beiden benutzten Wohnungen verbringen. In diesem Fall ist auch das Einkommen beider Ehegatten bei der Ermittlung des Familieneinkommens und der Bewertung einer möglichen Überschreitung der für das Elterngeld anspruchsausschließenden Jahreseinkommensgrenze zu berücksichtigen.

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu gewähren ist.

Die am XX.XX.1982 geborene, verheiratete, Klägerin ist die Mutter der am XX.XX.2014 geborenen C.- C.. Vor der Geburt ihrer Tochter war die Klägerin nichtselbstständig bei der C-FIRMA AG beschäftigt, danach nahm sie Elternzeit bis zum 25.10.2016 in Anspruch. Im Zeitraum vom 14.09.2014 bis zum 21.12.2014 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld mit Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 13,00 Euro bzw. 90,56 Euro kalendertäglich.

Der Ehemann der Klägerin war zu dieser Zeit als Unternehmensberater in Österreich beschäftigt.

Mit Antrag vom 27.12.2014 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für ihre Tochter für den ersten bis vierzehnten Lebensmonat. Dabei gab sie an, dass sie ihren Hauptwohnsitz in C-Stadt habe und dort mit ihrer Tochter zusammenlebe. Ihr Ehemann habe seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Sie lebe mit diesem nicht zusammen in der gleichen Wohnung. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.02.2015 einen Elterngeldanspruch ab, weil die Summe des zu versteuernden Einkommens nach § 2 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) beider Elternteile im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes mehr als 500.000 Euro (§ 1 Abs. 8 BEEG) betragen habe, wodurch ein Elterngeldanspruch entfalle.

Mit ihrem Widerspruch vom 04.03.2015 machte die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen für den Entfall des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs. 8 BEEG nicht vorlägen. Sie selbst habe kein Einkommen von mehr als 250.000 Euro im Kalenderjahr 2013 gehabt. Das Einkommen ihres Ehemanns sei nicht zu berücksichtigen, da sie nicht mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.09.2013 (Az. B 10 EG 4/12 R) seien mangels einer speziellen elterngeldrechtlichen Umschreibung des Haushaltsbegriffs bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG auf ein allgemeinsozialrechtliches Begriffsverständnis zurückzugreifen. Nach der älteren Rechtsprechung des BSG sei unter Haushalt eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft zu verstehen. Diese verlange eine häusliche, wohnungsmäßige und familienhafte Lebens- und Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft. Zusammenfassend sei Haushalt eine Familiengemeinschaft, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Fürsorge und Zuwendung) darstelle, wobei sich diese drei Merkmale überschneiden könnten, keines davon jedoch gänzlich fehlen dürfe. Ein gemeinsamer Haushalt in diesem Sinne liege nicht vor. Sie sei deutsche Staatsangehörige und unterhalte eine Wohnung in C-Stadt, C-Straße 36, in der sie gemeinsam mit ihrer Tochter lebe. Ihr Ehemann sei demgegenüber österreichischer Staatsangehöriger, der seinerseits eine Wohnung in D-Stadt in Tirol unterhalte. Hierbei handele es sich nicht um eine Zweit- oder Urlaubswohnung, sondern um den amtlichen Hauptwohnsitz und die Eigentumswohnung des Ehemanns. Die Wohnung sei voll ausgestattet, der Ehemann versorge sich dort selbst. Wenn der Ehemann berufsbedingt mehrere Tage in Wien bei seinem Arbeitgeber sei, wohne er in E-Stadt am W.. Dies sei der Wohnsitz der Mutter des Ehemanns. Dort sei dieser bis zum Umzug nach D-Stadt hauptwohnsitzgemeldet gewesen. Sie führe hiervon unabhängig für sich und ihre Tochter den Haushalt in C-Stadt. Der Ehemann beteilige sich an der dortigen Haushaltsführung nicht, da dieser nur selten dort sei. Ihr Ehemann sei Unternehmensberater und beruflich vier bis fünf Tage in der Woche unterwegs. Unter der ...

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