Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Elterngeldberechnung. Selbständiger. Einkünfte aus Tätigkeiten vor der Elternzeit
Orientierungssatz
1. Gehen bei einem Selbständigen während der Elternzeit, in der er keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat, (verspätete) Zahlungen für Tätigkeiten ein, die er vor der Elternzeit erbracht hat, haben diese bei der Berechnung des Elterngeldes außer Betracht zu bleiben.
2. Die Worte "kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt" in der Vorschrift des § 2 Abs 1 S 1 BEEG bzw "ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach Abs1 berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt" in § 2 Abs 3 S 1 BEEG müssen dahingehend ausgelegt werden, dass der reine Zufluss von Einkommen aus einer aktuell nicht ausgeübten Erwerbstätigkeit außer Betracht bleibt.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Elterngeldes. Der 1978 geborene und als selbstständiger Unternehmensberater tätige Kläger beantragte am 26.09.2007 beim Beklagten die Zahlung von Elterngeld wegen Erziehung seines am 2007 geborenen Sohnes X. L. für die Lebensmonate 1 und 13. Mit Bescheid vom 04.12.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 12.07.2007 bis 11.08.2007 ein Elterngeld in Höhe von EUR 300,00 und für die Zeit vom 11.07.2008 bis 11.08.2008 in Höhe von EUR 1800,00. Der Zahlbetrag für den erstgenannten Zeitraum wurde unter Berücksichtigung von Gesamteinkünften aus einer Teilzeittätigkeit berechnet. Der Kläger erhob insoweit Widerspruch. Er räumte ein, im Juli 2007 Einnahmen gehabt zu haben. Allerdings seien diese auf die Begleichung von Rechnungen aus seiner selbstständigen Tätigkeit in einem früheren Zeitraum zurückzuführen. So habe er im Juli einen Betrag von EUR 22.393,42 für eine Rechnung vom 31.05.2007 aufgrund von Beratungsleistungen im Mai 2007 erhalten. In der Elternzeit vom 12.07. bis 12.08.2007 habe er keine selbstständige Tätigkeit ausgeführt und somit auch keinen Leistungen in Rechnung stellen können. Der Einnahmeausfall habe sich erst in den folgenden Monaten bemerkbar gemacht. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2008 zurück. Er verwies auf das steuerliche Zuflussprinzip nach § 11 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach allein die Einnahmen bzw. Ausgaben entscheidend seien und nicht, wann die Arbeitsleistung erbracht worden sei. Das zu berücksichtigende Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit sei insoweit zu hoch angesetzt worden, als ein Betrag von EUR 22.393,42 bereits am 04.07.2007, also vor dem Bezugszeitraum, zugeflossen sei. Auch nach einer Neuberechnung würde es jedoch bei Mindestbetrag von 300 Euro verbleiben, so dass eine Neuberechnung nicht veranlasst sei. Die Klage hält am Begehren eines Elterngeldes von EUR 1800,00 auch für den Zeitraum vom 12.07.2007 bis 11.08.2007 fest. Der Kläger sei entgegen der Annahme des Beklagten in diesem Zeitraum keinerlei beruflicher Tätigkeit nachgegangen. Er bot Zeugen für die Tatsache an, in dieser Zeit nicht an seinen üblichen Projekten und an seinen üblichen Arbeitsplätzen und auch nicht in seiner Wohnung gearbeitet zu haben. Die in diesem Monat zugeflossen Bezüge stammten aus Arbeitsleistungen vor der Geburt des Kindes. Der Kläger habe keinen Einfluss darauf, wann die Rechnungen für seine früheren Tätigkeiten bezahlt würden. Der Beklagte verweist auf eine am 02.08.2007 den Kläger zugeflossene Zahlung von EUR 19.161,38.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 04.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 zur Zahlung eines Elterngeldes in Höhe des Höchstbetrages von EUR 1800,00 abzüglich der bereits bezahlten EUR 300,00 für den Zeitraum 12.07.2007 bis 11.08.2007 zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auch statthaft. Die zulässige Klage ist auch in der Sache begründet. Der Beklagte hatte § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) anzuwenden, wonach Anspruch auf Elterngeld nur hat, wer keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach Abs. 6 S. 1 der Vorschrift ist eine Person nicht oder nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt. Diese Voraussetzung ist beim Kläger in den Lebensmonaten 1 und 13 seines Sohnes erfüllt. Der Beklagte kam nur deswegen zu einem anderen Ergebnis, weil er den Zufluss von Erträgen aus einer vor der Phase der Kindererziehung ausgeübten Tätigkeit mit dieser Tätigkeit gleichsetzt. Die...