Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Vergütung. Abrechnung krankheitsfallbezogener Leistungspositionen (hier: pränatale zytogenetische Untersuchung und Leistungen der In-vitro-Diagnostik bei Schwangerschaftsabbruch und erneuter Schwangerschaft). Definition des "Krankheitsfalls"
Leitsatz (amtlich)
1. Eine exakte Definition des "Krankheitsfalls" ist weder im EBM (juris: EBM-Ä 2008), noch im Bundesmantelvertrag-Ärzte (§ 21 Abs 1 S 9 BMV-Ä) enthalten.
2. Der Begriff "Krankheitsfall" ist als permanenter, durchgängiger und einheitlicher Zustand einer gesundheitlichen Störung zu verstehen. Dies bringt es per se mit sich, dass der "Krankheitsfall" auch innerhalb der Zeitspanne von 4 Quartalen (§ 21 Abs 1 S 9 BMV-Ä) zeitlich begrenzt sein kann. Endet eine gesundheitliche Störung, endet damit auch der "Krankheitsfall". Bei einer erneuten gesundheitlichen Störung entsteht ein neuer "Krankheitsfall".
3. Wurden in Vorquartalen Leistungen erbracht, die einen früheren "Krankheitsfall" betreffen, können damit verbundene Abrechnungsausschlüsse (zB bei Leistungen der GOP's 11512, 11513, 11513Y, 01793) nicht auf einen neuen "Krankheitsfall" erstreckt werden.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides und dem diesen als Anlage beigefügten Richtigstellungsmitteilung, eingegangen am 17.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2018 bezüglich des Quartals verurteilt, das klägerische Honorar ohne Absetzung der Gebührenposition 01793/L5/B1 (1x) und 01793/L5/B1 (1x) in Höhe von 1.109,02 Euro zu vergüten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahren.
Tatbestand
Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage war die sachlich-rechnerische Richtigstellung im Quartal 4/17. Mit dem Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2018 wurde die Gebührenordnungsposition 01793 neben den Gebührenordnungspositionen 11512,11513 und 11513Y im Krankheitsfall aufgrund der Prüfregel HU 11233 (§ 21 Abs. 1 BMV-Ä) abgesetzt. Konkret betraf dies den Behandlungsfall W.P., bei der in einer ersten Schwangerschaft im April 2017 schwere Gesundheitsstörungen (beim Fötus) festgestellt wurden. Abgerechnet wurden im zweiten Quartal 2017 die Gebührenordnungspositionen 11512, 11513 und 11513Y sowie die Gebührenordnungsposition 01793. Am 28.11.2017 (erneute Schwangerschaft) wurde die Leistung nach der GOP 01793 abgerechnet. Ferner wurden Leistungen im Behandlungsfall Sch.-H.A. abgesetzt. Die Klägerin brachte die Gebührenordnungsposition 11315 im ersten Quartal 2017 in Ansatz. Aufgrund von Entwicklungsstörungen des Fötus erfolgte im Februar 2017 ein Schwangerschaftsabbruch. Am 04.12.2017 wurde bei einer erneuten Schwangerschaft die GOP 01793 in Ansatz gebracht.
Gegen die oben genannten Bescheide ließ die Klägerin Klage zum Sozialgericht München einlegen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies darauf hin, dass jeweils innerhalb eines Jahres nach Abbruch der ersten Schwangerschaft eine erneute Schwangerschaft aufgetreten sei. Damit sei ein neuer Krankheitsfall begründet worden. Zudem ergebe sich aus der Kommentierung zur Gebührenordnungsposition 01793 EBM (Wezel/Liebold, Kommentar zum EBM) dass diese Gebührenordnungsposition pro Fötus abgerechnet werden könne. Ferner sei durch das Schreiben der KVB vom 25.08.2016 und den nachfolgenden E-Mail-Verkehr ein Vertrauenstatbestand begründet worden. Dieser sei auch durch den Honorarbescheid für das Quartal 1/17 nicht entfallen. Denn zum Zeitpunkt des E-Mail-Verkehrs im Jahr 2017 und der Abrechnung im zweiten Quartal 2017 sei der Ablehnungsbescheid für das Quartal 1/17 (23.08.2017) noch gar nicht erlassen gewesen.
Die angefochtenen Bescheide seien bereits formell rechtswidrig. Denn es liege ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 35 SGB X vor.
In ihrer Klageerwiderung machte die Beklagte geltend, die Bescheide seien formell rechtmäßig. Der von der Klägerseite geltend gemachte Verstoß gegen § 35 SGB X sei nicht ersichtlich. Denn es sei auf der Hand gelegen, dass ein Auftreten einer anderen Krankheit oder das erneute Auftreten derselben Erkrankung nicht zur Möglichkeit einer erneuten Abrechnung führe (vgl. Altmiks in Schiller, BMV-Ä, § 21 Rn. 14). Deshalb habe es keiner weiteren Begründung bedurft. Außerdem handle es sich um eine gebundene Entscheidung, bei der bloße Begründungsmängel nicht zu einer Aufhebung der Bescheide führten (BSG, Urteil vom 90.12.2004, Az. B 6 KA 44/03 R Rn 34).
Die angefochtenen Bescheide seien auch materiell rechtmäßig. Die Leistung nach der GOP 01793 sei nicht gestrichen worden, weil sie in der ersten Schwangerschaft erbracht worden sei, sondern weil innerhalb des Krankheitsfalles bei der Patientin Sch.-H.A. die GOP 11513 im Quartal 1/17 und bei der Patientin W.P. die GOP’s 11512, 11513 und 11513Y im Quartal 2/17 abgerechnet worden seien.
Soweit die Klägerin Vertrauensschutz geltend mache, sei ein solcher nicht ersichtlich.
In der mündlichen Verhandlung am 15.05.2019 stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den ...