Entscheidungsstichwort (Thema)
Renten- und Arbeitslosenversicherung. Versicherungspflicht bzw -freiheit eines Kameramanns
Leitsatz (amtlich)
Ein Kameramann, der nicht weisungsgebunden arbeitet und nicht in einem fremden Betrieb eingegliedert ist, dem Auftraggeber projektbezogene Rechnungen stellt und über eigene Kameraausrüstung, Lichtanlage und PKW verfügt und bei der Kameraführung eigenverantwortlich gestaltend tätig ist, ist selbständig.
Nachgehend
Tenor
I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016 wird festgestellt, dass der Beigeladene seit dem 26.07.2014 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV zur Klägerin steht und insofern auch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen streitig.
Die Klägerin ist eine Filmproduktionsgesellschaft, die Dokumentarfilme, Magazinbeiträge und Musikvideos produziert und Film- und Fernsehteams organisiert.
Der Beigeladene ist Kameramann.
Seit 26.07.2014 war der Beigeladene immer wieder als Kameramann für die Klägerin tätig. Die jeweilige Auftragsvergabe für ein bestimmtes Projekt erfolgte telefonisch. Schriftliche Vereinbarungen existieren nicht, auch kein Rahmenvertrag für die Tätigkeit. Die Klägerin bietet dem Beigeladenen Einsätze als Kameramann bei Filmproduktionen an, die die Klägerin ihrerseits im Auftrag eines Kunden, z.B. eines Fernsehsenders, erstellt. Die Klägerin arbeitet mit verschiedenen Kameraleuten zusammen. Welchem von diesen sie ein bestimmtes Projekt anbietet, hängt vorrangig von den Wünschen des jeweiligen Kunden ab. Denn die Auswahl des Kameramanns hat gestalterischen Einfluss auf die jeweilige Produktion, da jeder Kameramann seine eigene Handschrift oder Bildsprache hat.
Wird dem Beigeladenen ein Projekt angeboten, so ist er frei, dies anzunehmen oder nicht. Seine Entscheidung trifft er in Abhängigkeit seiner zeitlichen Verfügbarkeit und auch der Frage, ob er das jeweilige Projekt als für ihn passend erachtet.
Kommt ein - mündlicher - Vertrag für ein Projekt zustande, so nimmt der Beigeladene Kontakt auf mit dem zuständigen Regisseur, der ihm das geplante Projekt vorstellt. Der Beigeladene gibt dann eine Empfehlung ab, welches Kamera-Equipment zum Einsatz kommen sollte. Denn schon die Wahl der Kamera beeinflusst in gestalterischer Hinsicht den Film. Der Beigeladene äußert auch etwaige weitere Wünsche, welche Gerätschaften er für die filmische Arbeit benötigt, z.B. einen Kran. Der Beigeladene mietet das erforderliche Kamera- Equipment nicht selbst an, sondern teilt der Klägerin mit, was angemietet werden soll. Die Anmietung erfolgt dann durch die Klägerin und auf deren Kosten. Ob alle Wünsche des Beigeladenen erfüllt werden, hängt vom Budget der Produktion ab.
Der Beigeladene hat auch selbst ein vollständiges Kamera- Equipment, das allerdings nur zum Einsatz kommt, wenn es für die Anforderungen des jeweiligen Projekts geeignet ist. Der Beigeladene hat weiterhin für die Ausübung seiner Tätigkeit eine Lichtanlage, für die er ca. 2.500.- Euro investiert hat. Er ist als Kameramann für die Lichtgestaltung am Drehort verantwortlich und bestimmt darüber eigenverantwortlich und unter Einsatz seines eigenen Equipments. Er wählt auch die Tageszeit für bestimmte Szenen unter Aspekten der Lichtgebung aus.
Um die Lichtanlage zum Drehort transportieren zu können, hat der Beigeladene einen großen PKW-Kombi. Er hat ferner ein eigenes Rig, für das er ca. 1.500.- Euro investiert hat. Dabei handelt es sich um eine an den Körper angepasste Vorrichtung, auf die eine Kamera aufgesetzt werden kann.
Am Drehort selbst bestimmt der Beigeladene in Absprache mit der Regie eigenverantwortlich, wie, aus welcher Perspektive und mit welcher Lichtgestaltung er bestimmte Szenen aufnimmt. Teilweise bringt der Kameramann auch eigene Ideen zur Regie ein. Völlig eigenständig und ohne Mitwirkung der Regie sucht er im Übrigen Motive für Schnittbilder und nimmt diese nach eigenen Vorstellungen auf.
Der Beigeladene war für die Klägerin regelmäßig tätig, er schätzt den Anteil an seinen Gesamteinnahmen auf 70%. Aktuell ist der Beigeladene jedoch kaum für die Klägerin tätig wegen des ungeklärten sozialversicherungsrechtlichen Status. Er hat derzeit überwiegend Aufträge von Produktionsfirmen in Österreich,
Im Falle einer kurzfristigen Verhinderung, z.B. wegen Krankheit, sucht der Beigeladene einen Kameramann mit ähnlicher Bildgestaltung und schlägt diesen der Klägerin als Ersatz vor. Die Klägerin schließt dann für die Zeit der Verhinderung ihrerseits einen Vertrag mit dem Ersatzkameramann.
Der Beigeladene hat eigene Visitenkarten und einen Briefkopf für seine geschäftliche Korrespondenz. Eine Web- Site über seine Tätigkeit als Kameramann befindet...