Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. stationäre Krankenhausbehandlung. Prüfung der Voraussetzungen für einen operativen Eingriff. Vertragsarzt im Rahmen seiner Verordnungskompetenz. Krankenhaus im Rahmen seiner Aufnahmeentscheidung. keine Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung durch Versicherten bei der Krankenkasse, wenn es sich um eine Vertragsklinik handelt. Möglichkeit der Krankenkasse zur Überprüfung der stationären Notwendigkeit des erfolgten Eingriffs im Wege des Vergütungsverfahrens und der Pflegesatzvereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Unter keinem Rechtsgrund ergibt sich die Notwendigkeit, dass Versicherte bei stationärer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Vorfeld einen Antrag bei der Krankenkasse stellen müssen, wenn es sich um eine Vertragsklinik der Krankenkasse handelt.

2. Sowohl das aufnehmende Krankenhaus im Rahmen seiner durch Gesetz eingeräumten Aufnahmeentscheidung in § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 als auch der Vertragsarzt im Rahmen seiner Verordnungskompetenz gemäß § 73 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB 5 iVm § 26 Abs 1 BMV-Ä haben die Voraussetzungen für den operativen Eingriff (hier: bariatrische Operation) zu prüfen, insbesondere die Behauptung der Krankenkasse hinsichtlich des Vorliegens einer Ultima ratio für den Eingriff.

3. Die Krankenkasse ist aufgrund der vom Gesetzgeber vorgesehenen Lösung bei der Überprüfung stationärer Behandlung nicht rechtlos gestellt. Sie hat im Wege des Vergütungsverfahrens und der Pflegesatzvereinbarung jederzeit die Möglichkeit die stationäre Notwendigkeit des erfolgten Eingriffs in Frage zu stellen.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin im Wege der Sachleistung in einer Vertragsklinik der Beklagten nach Wahl der Klägerin eine bariatrische Operation gemäß vertragsärztlicher Überweisung der Gemeinschaftspraxis Dres. C. und Kollegen vom 09.04.2014 zu gewähren.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Wege der Sachleistung in einer Vertragsklinik der Beklagten Anspruch auf eine bariatrische Operation hat.

Am 09.08.2013 hat sich die Klägerin mit einem Antrag an die Beklagte gewandt, dem ein Antrag auf Kostenübernahme des D. Klinikums vom 02.08.2013 beigefügt war. Die Klägerin leide an einem BMI von 53, eine bariatrische Operation wäre indiziert.

Sie bäte um Genehmigung durch die Beklagte.

Der MDK hat sich am 03.09.2013 ablehnend geäußert und zur Begründung ausgeführt, dass die Operation keine Ultima ratio darstellen würde.

Mit Bescheid vom 09.09.2013 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt. Hiergegen wurde am 08.10.2013 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2014 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass die Kosten für eine operative Magenverkleinerung nicht übernommen werden können, insbesondere seien kumulativ eine Reihe von Bedingungen für eine bariatrische Behandlung als Ultima ratio zu prüfen, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt wären. Die Beklagte folge der Einschätzung des Medizinischen Dienstes in seinem Gutachten vom 03.09.2013.

Am 05.08.2014 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage mit Antrag auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation zum Sozialgericht München erhoben.

Aufgrund der richterlichen Anfrage vom 07.08.2014 hat die Klägerin den Überweisungsschein der vertragsärztlichen Praxis Dr. med. D. C., E. für eine kurative chirurgische Leistung bariatrischer Operation zur Ausführung von Auftragsleistungen auf dem Vordruck entsprechend der Vordruckvereinbarung Muster 6 vorgelegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 16.04.2015 konnte eine vergleichsweise Lösung auf der Basis der vertragsärztlichen Verordnung nicht erzielt werden.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2014 zu verurteilen, der Klägerin im Wege der Sachleistung in einer Vertragsklinik der Beklagten nach Wahl der Klägerin eine bariatrische Operation gemäß vertragsärztlicher Überweisung der Gemeinschaftspraxis Dres. C. und Kollegen vom 09.04.2014 zu gewähren.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte widersetzt sich dem klägerischen Begehren unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides und die Feststellungen des MDK. Danach wäre die Operation keine Ultima ratio. Die Voraussetzungen liegen liegen nicht vor.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war neben den Beklagtenakten die Akten des anhängigen Sozialgerichtsverfahrens. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den gesamten Akteninhalt gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Zum sachlich (§ 51 SGG) und örtlich (§ 57 SGG) zuständigen Sozialgericht München form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und erweist sich im beantragten Umfang als begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig.

D...

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