Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Vergütung von Behandlungsleistungen eines Krankenhauses

 

Orientierungssatz

Ein Krankenhaus kann die durchgeführte Schlauchmagen-Operation bei Adipositas-Erkrankung jedenfalls dann gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse auch ohne vorherige Zusage zur Kostenübernahme für den Eingriff durch die Krankenkasse abrechnen, wenn dem Grunde nach eine medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung der Versicherten gegeben sein konnte und es die Krankenkasse unterlassen hat, zur Beurteilung der Abrechnungsfähigkeit im konkreten Einzelfall eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse zu veranlassen, so dass nachträglich nach Aktenlage die Nichterforderlichkeit des Eingriffs nicht mehr nachgewiesen werden kann.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.667,81 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.8.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 7.667,81 € zuzüglich Zinsen für erbrachte stationäre Behandlungsleistungen zugunsten einer bei der Beklagten Versicherten.

In der Zeit vom 5.7.2016 bis 7.7.2016 wurde die bei der Beklagten Versicherte Z... im Klinikum der Klägerin stationär behandelt. Bei der Versicherten wurde eine sogenannte Schlauchmagen-Operation bei Adipositas-Erkrankung durchgeführt.

Für die erbrachten Leistungen rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 21.7.2016 den Betrag von 7.667,81 € ab. Die Rechnung wurde der Beklagten noch am 21.7.2016 übermittelt.

Die Rechnung wurde von der Beklagten jedoch nicht beglichen. Sie sandte die Rechnung mit der Begründung zurück, dass die Operation im Vorfeld nicht beantragt und somit auch nicht bewilligt worden sei.

Am 4.8.2016 übersandte die Klägerin erneut die Rechnung und wies darauf hin, dass die Behandlung medizinisch notwendig gewesen sei. Sollten Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit bestehen, werde darum gebeten, ein MDK-Verfahren einzuleiten.

Mit Schreiben vom 11.8.2016 teilte die Beklagte mit, dass es sich bei der bariatrischen Operation (Schlauchmagen) um eine genehmigungspflichtige Leistung handle. Die Behandlung sei nur dann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen, wenn eine Ultima Ratio vorliege. Verwiesen werde auf die Leitlinie der deutschen Adipositas-Gesellschaft. Danach seien Voraussetzungen für einen Eingriff:

- BMI > 40 oder 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen,

- Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten,

- tolerables Operationsrisiko,

- ausreichende Motivation,

- keine manifeste psychiatrische Erkrankung und

- Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung.

Die vorgenannten Punkte müssten gemäß der S3-Leitlinie auch im Vorfeld überprüfbar sein. Gestützt werde diese Sichtweise durch das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 1.3.2011 (Az. L 11 KR 3560/09). In dem Urteil werde auch darauf hingewiesen, dass ein Eingriff an einem gesunden Organ stattfinde. Somit handle es sich um einen sogenannten kosmetischen Eingriff, der im Vorfeld zu beantragen sei und von Seiten der gesetzlichen Krankenversicherung mithilfe des MDK vorab überprüft werden könne. Hierzu werde aus der Darstellung der Internetseite der Klägerin zitiert: “Bariatrische Operationen werden von den Krankenkassen nur nach vorheriger Prüfung und Genehmigung übernommen. Wenn wir in unserem Adipositas-Zentrum eine Indikation für eine bariatrische Operation bei Ihnen sehen, so stellen wir gemeinsam mit Ihnen ein Antrag auf Kostenübernahme.„ Ein entsprechender Antrag sei nicht gestellt worden. Die Kosten könnten daher nicht übernommen werden.

Ein MDK-Verfahren wurde nicht eingeleitet.

Unter dem 22.9.2016 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Die in der S3- Richtlinie genannten Kriterien seien bei der Klägerin erfüllt gewesen. Der BMI habe 67,8 kg/m² betragen. Die Klägerin leide unter einer Diabetes mellitus Typ 2, einer Hyperlipidämie, einer Schilddrüsenunterfunktion, Krampfadern und beidseitiger Gonarthrose. Sie habe nur mit Gehhilfen gehen können. Das von der Beklagten geltend gemachte Genehmigungserfordernis gelte nur im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versicherten, nicht aber im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus. Hierfür würden die üblichen Regelungen gelten. Verwiesen werde auf die Urteile des BSG vom 1.7.2017 (Az. B 1 KR 2/13 R), SG München vom 16.4.2015 (Az. S 2 KR 974/14) und SG Speyer vom 28.4.2016 (Az. S 13 KR 1184/13), aus denen allesamt hervorgehe, dass eine vorherige Genehmigung keine Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch sei. Dies heiße, dass die Beklagte zur Zahlung verpflichtet sei und im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen ein MDK-Prüfungsverfahren nach § 275 SGB V einleiten könne. Eine Benachteiligung für die Beklagte entstehe dadurch nicht, da ihr im Falle einer so genannten primären Fehlbelegung ein entsprechender Rückerstattungsanspr...

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