Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses für eine stationäre Behandlung des Versicherten. Ausschlussfrist für Datenverwertung
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten gemäß §§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5, 7 S. 1 KHEntgG.
2. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Diese richtet sich nach den medizinischen Erfordernissen im Einzelfall.
3. Die Krankenkasse ist nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 verpflichtet, zur Notwendigkeit der Leistung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Diese Prüfung ist nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen.
4. Nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB 5 sind Krankenkasse und MDK auf die Daten beschränkt, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung zur Verfügung gestellt hat. Die Prüfung beschränkt sich danach auf den Sachverhalt, wie er sich aus den nach § 301 Abs. 1 SGB 5 übermittelten Daten darstellt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.203,85 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. September 2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
In der Zeit vom 13. August 2018 bis zum 17. August 2018 wurde der bei der Beklagten Versicherte E. L. (geb. am ... 1962) im Klinikum der Klägerin stationär behandelt. Bei dem Versicherten wurde eine sogenannte Schlauchmagen-Operation bei Adipositas-Erkrankung (BMI von 59) durchgeführt.
Für die erbrachten Leistungen rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 22. August 2018 den Betrag von 7.203,85 € ab. Die Rechnung wurde von der Beklagten jedoch nicht beglichen. Ein MDK-Verfahren wurde nicht eingeleitet.
Am 06. Dezember 2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Die in der S3- Richtlinie genannten Kriterien seien bei dem Versicherten erfüllt gewesen. Da die Beklagte kein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 c SGB V eingeleitet habe, unterliege die Patientenakte einem Beweisverwertungsverbot. Dies gelte ebenfalls für von der Beklagten einzuholende MDK- Stellungnahme. Laut BSG (BSG, Urteil vom 11. April 2002, B 3 KR 24/01 R; Urteil vom 17. Mai 2000, B 3 KR 33/99 R) berühre eine (bestandskräftige) Ablehnung, welche von einer Krankenkasse gegenüber einem Versicherten ausgesprochen worden sei, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht. Eine Befassung des MDK im Verwaltungsverfahren zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse ersetze nicht die nachgelagerte Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 c SGB V zwischen Krankenkasse und Krankenhaus.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.203,85 Euro nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. September 2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte habe im vorliegenden Fall den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingeschaltet, nachdem der Versicherte bei ihr einen Antrag auf Kostenübernahme der stationären Magenband OP am 20. Oktober 2017 (Eingang bei der Beklagten) gestellt habe. Dies habe ergeben, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine adipositaschirurgische Maßnahme nicht erfüllt seien. Insofern habe die Beklagte den Antrag auch mit Widerspruchsbescheid vom 02. Juli 2018 abgelehnt. Da demnach bereits eine sozialmedizinische Bewertung gem. § 275 SGB V zu dem hier strittigen Sachverhalt stattgefunden habe, könne ein Beweisverwertungsverbot im vorliegenden Fall nicht eingreifen, auch unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.12.2017, B 1 KR 19/17 R; Urteil vom 18.12.2018, B 1 KR 40/17 R). Zudem bestehe nach der aktuellen Rechtsprechung ein Anspruch auf eine bariatrische OP nur dann, wenn diese Maßnahme sich als Ultima Ratio darstelle, was sich aus dem Grundsatzurteil des BSG (Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R) ergebe. Auch sei auf die Rechtsprechung des SG Augsburg zu verweisen, welche die Argumentation der Klägerin widerlegte, dass bei einem BMI von ≫ 50 eine konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg sei (SG Augsburg, Urteil vom 29. Mai 2018, S 6 KR 588/16; Urteil vom 11. Februar 2019, S 10 KR 589/16).
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat am 27. Juni 2019 ein Erörterungstermin stattgefunden. Im Rahmen des Erörterungstermins kündigte die Vorsitzende an, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird...