Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückkehr von privat versicherten Altersrentnern in die gesetzliche Krankenversicherung durch vorübergehende Wahl einer Teilrente, um dadurch beim Ehepartner familienversichert zu werden

 

Leitsatz (amtlich)

Dem privat krankenversicherten Bezieher einer Altersrente, dessen Ehepartner Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ist es nach der geltenden Rechtslage nicht grundsätzlich verwehrt, durch vorübergehende Wahl einer Teilrente nach § 42 SGB VI die beitragsfreie Familienversicherung über den Ehepartner zu erreichen, mit der Folge, dass die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V endet und bei späterer Rückkehr zur Vollrente die obligatorische freiwillige Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V eintritt.

 

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 16.11.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2022 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seit dem 01.05.2021 bei der Beklagten über seine Ehefrau in der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) familienversichert und infolgedessen ab dem 01.09.2021 aufgrund der ab dann bezogenen höheren Rente freiwillig versichert war und ob der Bescheid der Beklagten über die Rücknahme des Bescheides hinsichtlich der Feststellung der Familienversicherung rechtmäßig ergangen ist.

Der am 1950 geborene Kläger ist seit dem 09.06.2011 mit seiner Ehefrau S. verheiratet, die bei der Beklagten versichertes Mitglied ist. Der Kläger war bis zum 30.04.2021 bei der AXA privat krankenversichert.

Laut Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 12.04.2021 wurde die bisherige Altersrente für besonders langjährig Versicherte des Klägers ab dem 01.05.2021 neu berechnet. Ab dem 01.05.2021 werde die "gewählte Teilrente" gezahlt in Höhe von monatlich 453,46 € zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 36,05 €, insgesamt 489,51 €.

Am 22.04.2021 beantragte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau die Feststellung der Familienversicherung des Klägers über seine Ehefrau ab 01.05.2021. Als einziges Einkommen wurde die gesetzliche Rente in Höhe von 453,46 € angegeben.

Mit Schreiben vom 30.04.2021 fragte die Beklagte den Kläger, aus welchen Gründen er sich für die Wahl einer Teilrente entschieden habe, ab welchem Zeitpunkt er beabsichtige, wieder die Vollrente zu beantragen, wann er die Altersrente beantragt habe und wie er in den letzten fünf Jahren vor dem Rentenantrag versichert gewesen sei.

Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 05.05.2021, er habe eine Teilrente aus privaten Gründen beantragt. Darüber hinaus sehe § 42 SGB VI keine Begründung für die Beantragung einer Teilrente vor. Die Beantragung der Vollrente sei noch ungewiss. Der Beginn der Altersrente habe im Jahre 2015 gelegen. Er sei in den letzten fünf Jahren bei der AXA privat krankenversichert gewesen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht gebe es nicht.

Der Kläger legte den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Freising für das Jahr 2020 vom 29.03.2021 vor. Daraus ergab sich, dass der Kläger im Jahr 2020 über Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 8800 € abzüglich Werbungskosten und einen Jahresbetrag der Rente in Höhe von 15.290 € verfügt hatte.

Am 02.06.2021 übersandte die Beklagte dem Kläger eine "Bescheinigung für die private Krankenversicherung", die eine "Mitgliedsbescheinigung" für den Kläger beinhaltete, der ab dem 01.05.2021 bei der Beklagten versichert sei (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Weiter findet sich der Hinweis, dass die Familienversicherung u. a. davon abhängig sei, dass das regelmäßige Gesamteinkommen die Einkommensgrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße nicht überschreite.

Laut Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 09.09.2021 bezog der Kläger ab dem 01.09.2021 Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von monatlich 1312,63 €.

Mit Schreiben vom 13.09.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe vom Rentenversicherungsträger die Mitteilung erhalten, dass seine Rente zum 01.09.2021 auf 1312,63 Euro monatlich erhöht worden sei. Diese Einnahmen überstiegen die maßgebende Grenze von monatlich 470 €. Die kostenfreie Familienversicherung ende daher zum 31.08.2021. Er könne sich jedoch weiterhin freiwillig bei der Beklagten versichern. Zur Berechnung der Beiträge werde er gebeten, den anliegenden Fragebogen ausgefüllt zurückzuschicken.

Der Kläger beantragte die freiwillige Versicherung bei der Beklagten ab dem 01.09.2021.

Mit Schreiben vom 22.09.2021 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme der Entscheidung über die Bewilligung der Familienversicherung vom 02.06.2021 an.

Ab dem 01.10.2021 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf.

Mit Schreiben vom 16.11.2021 teilte die Beklagte dem Kläger unter dem Betreff "rückwirkende Aufhebung der Familienversicherung wegen kurzfristiger Teilrente" mit, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides ...

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