Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in einem Frauenhaus durch den Grundsicherungsträger. Umfang der Kostenerstattung zwischen Leistungsträgern
Orientierungssatz
Die durch den Aufenthalt einer Empfängerin von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in einem Frauenhaus entstehenden Kosten sind durch den Grundsicherungsträger der Kommune des gewöhnlichen Aufenthaltes an die das Frauenhaus tragenden Kommune im Regelfall in der tatsächlich anfallenden Höhe zu erstatten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Erstattungsforderung eine nachvollziehbare Kalkulation zugrunde liegt. Dagegen kommt es für die Beurteilung der Angemessenheit der Erstattungsforderung nicht darauf an, ob die Unterbringungsleistung in anderen Kommunen günstiger zur Verfügung gestellt wird.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 5.809,92 als Kosten für den Aufenthalt von Familie A. im Frauenhaus A-Stadt vom 20. August bis 5. September 2008 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für einen 17-tägigen Aufenthalt im Frauenhaus A-Stadt von Frau A. und ihren drei minderjährigen Kindern im Zeitraum 20. August bis 5. September 2008 in Höhe von Euro 5.809,92.
Die 1977 geborene, in B-Stadt lebende Frau A. und ihre drei Kinder im Alter von damals sieben, sechs und drei Jahren wurden vom 20. August bis 5. September 2008 wegen häuslicher Gewalt durch den Ehemann im Frauenhaus A-Stadt untergebracht.
Der Kläger ist kommunaler Träger des Frauenhauses, das vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. betrieben wird. Nach der zwischen dem Kläger und den Landkreisen Starnberg und Weilheim-Schongau am 1. Dezember 1989 abgeschlossenen “Zweckvereinbarung zur Förderung des Frauenhauses„ werden die Kosten des Frauenhauses von den drei Landkreisen zu je einem Drittel getragen.
Das Frauenhaus bietet Platz für fünf Frauen und fünf Kinder. Der zugrunde gelegte Tagessatz beträgt Euro 102,- pro Kopf. Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. erstellt jährlich eine Ergebnisrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten, Überzahlungen werden daraufhin zurückerstattet. Die durchschnittliche Auslastung des Frauenhauses lag in den Jahren 2006 bis 2010 bei 57,6% (nur Frauen, unabhängig von der Belegung durch Kinder). Aufgrund der Ergebnisrechnung für das Jahr 2008 vom 4. Februar 2009 betrug die durchschnittliche Auslastung des Frauenhauses durch Frauen 60 % in diesem Jahr, es ergab sich ein tatsächlicher Tagessatz von Euro 85,44.
Während des Aufenthalts im Frauenhaus A-Stadt erhielten Frau A. und ihre Kinder insbesondere folgende Leistungen:
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Hilfe für misshandelte Frauen und Kinder mittels Unterstützungsleistungen zur Wiedergewinnung des psychischen Gleichgewichts, |
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Beratung in familien- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sowie bezüglich der psychischen und körperlichen Gesundheit, |
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pädagogische Kinderbetreuung, |
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Hilfe bei der Wohnungssuche, |
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Einzelhilfe durch Aufnahme- und Beratungsgespräche sowie durch konkrete Unterstützungs- und Hilfeleistungen, auch gegenüber Behörden und |
Frau A. bezog gemäß Bescheid des Jobcenters C-Stadt vom 17. Dezember 2008 mit ihren Kindern während des Aufenthalts Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Zuweisung der ehelichen Wohnung nach dem Gewaltschutzgesetz bezogen sie nach Auszug aus dem Frauenhaus am 5. September 2008 wieder in ihre B-Stadt Wohnung.
Mit Schreiben vom 23. September 2008 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 36a SGB II aufgrund des Frauenhausaufenthalts von Familie A. in Höhe von Euro 6.936,- an, der sich aus einem Tagessatz von Euro 102,- pro Kopf für vier Personen an 17 Tagen errechne. Die Erstattung der Kosten wurde von der Beklagten zunächst abgelehnt, da die Betreuungskosten im Frauenhaus keine Eingliederungsleistungen im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II darstellen würden, sondern die dort geleistete Hilfe weitergehe.
Mit Schreiben vom 27. November 2012 erkannte die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach an, nicht aber der Höhe nach mit einem Tagessatz von Euro 102,- pro Kopf.
Der Kläger hat am 27. Dezember 2012 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Das Frauenhaus A-Stadt habe den Charakter einer Notfalleinrichtung und unterliege einer hohen Fluktuation. Dies erkläre eine durchschnittliche Auslastung von 60%. Auch könnten die Frauenhäuser in B-Stadt den Bedarf selbst nicht decken. Aufgrund der Wohnungsknappheit dort sei die Aufenthaltsdauer in B-Stadt Frauenhäusern länger als im Frauenhaus A-Stadt. Da die Förderung durch den Freistaat Bayern gemäß den “Richtlinien für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern„ nur für Frauenhäuser mit mindestens fünf Plätzen für Frauen und mindestens der gleichen Anzahl für Kinder ausgereicht werden könne, sei eine Reduzierung der Plätze auf weniger als fünf nicht angedacht. Das Frauenhaus A-Stadt sei das einzige Fra...