Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit als Pflegefachkraft für einen ambulanten Pflegedienst im Rahmen eines Kooperationsvertrages. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Krankenpfleger, der für einen ambulanten Pflegedienst auf Grund eines Kooperationsvertrages tätig ist, seine Einsatzzeiten frei bestimmen kann, auf Grund ärztlicher Anordnung und ansonsten weisungsfrei tätig wird, das Ausfallrisiko bei Unmöglichkeit der Pflegeleistung trägt, nicht an Dienstbesprechungen und Fortbildungen des Auftraggebers teilnimmt, eine Berufshaftpflichtversicherung hat, bei kurzfristiger Verhinderung selbst eine Ersatzkraft stellt und die Anfahrtswege zum Einsatzort mit dem eigenem PKW zurücklegt, ist selbständig.

 

Orientierungssatz

Aktenzeichen beim LSG: L 7 R 5035/17

 

Tenor

I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2015 wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für den Kläger vom 13.02.1013 bis zum 26.12.2013 nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde, und demzufolge keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene im Jahr 2013 beim Kläger beschäftigt war im Sinne von § 7 SGB IV.

Der Kläger betreibt einen Pflegedienst, der auf die ambulante Versorgung von tracheotomierten und langzeitbeatmeten Menschen spezialisiert ist. Der Kläger hat einen Versorgungsvertrag mit verschiedenen Krankenkassen gemäß § 72 SGB XI. Er schließt mit Patienten, die zu Hause gepflegt werden, Pflegeverträge. Er rechnet die Pflegeleistungen bei Kassenpatienten direkt mit der jeweiligen Krankenkasse, bei Privatpatienten mit diesen selbst ab. Im hier streitigen Zeitraum hatte der Kläger ca. 40 festangestellte Pflegefachkräfte und ca. 7 bis 8 Pflegefachkräfte, die auf der Basis von “Kooperationsverträgen„ ambulante Pflegedienstleistungen als Selbständige für den Kläger erbrachten.

Die Beigeladene, geboren am XX.XX. 1977, ist Fachkrankenschwester und hatte im hier streitigen Zeitraum vom 13.02.2013 bis zum 26.12.2013 eine Vollzeit-Festanstellung bei einem anderen Pflegedienst. Sie wollte darüber hinaus Pflegedienstleistungen als Selbständige erbringen und schloss zu diesem Zweck mit dem Kläger am 01.02.2013 einen “Kooperationsvertrag„. Dem Vertragsabschluss waren Verhandlungen zwischen der Beigeladenen und dem Kläger über die Bezahlung vorangegangen, wobei man sich auf eine Vergütung von 24,50 Euro pro Stunde einigte, wahlweise eine projektbezogene, individuell vereinbarte Vergütung im Rahmen des jeweiligen Einzelauftrags. Der Kooperationsvertrag war ein Rahmenvertrag für den Fall einer Auftragsannahme im Einzelfall über pflegerische Versorgung, Überwachung medizinischer Geräte und Beratung von Patient, Angehörigen und Auftraggeber in speziellen Fachfragen. Laut Kooperationsvertrag war die Beigeladene zur persönlichen Leistungserbringung grundsätzlich verpflichtet, konnte sich aber ausnahmsweise und mit Einverständnis des Klägers der Dienstleistungen Dritter bedienen. Eine Verpflichtung zum Angebot von Einzelaufträgen seitens des Klägers oder zur Annahme solcher Einzelaufträge seitens der Beigeladenen war ausdrücklich nicht vorgesehen. Die fachpflegerischen Leistungen sollte die Beigeladene eigenständig durchführen und über ihre Leistungen monatlich bzw. bei Projektende eine Rechnung stellen. Laut Vertrag sollte die Beigeladene ihre Dienstleistung als Selbständige erbringen. Die Beigeladene war zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet. Der Kooperationsvertrag war unter Einhaltung einer vierwöchigen Frist schriftlich kündbar.

Die Beigeladene selbst hatte keinen Versorgungsvertrag mit einer Krankenkasse geschlossen. Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum außer für den Kläger auch noch für zwei weitere Pflegedienste als Selbständige tätig (neben ihrer Tätigkeit als Festangestellte für einen weiteren Pflegedienst).

Am 15.08.2014 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten ein Statusfeststellungsverfahren mit dem Ziel, eine selbständige Tätigkeit festzustellen.

Die Beklagte ermittelte zu den Umständen der Tätigkeit, die sich nach Beweisaufnahme im vorliegenden Rechtsstreit darstellen, wie folgt:

Die Beigeladene absolvierte keine regelmäßigen Einsatztage beim Kläger. Sie übernahm in der Regel Schichten der Patientenbetreuung von 8.00 - 20.00 Uhr oder 20.00 bis 8.00 Uhr, teilweise auch 24- Stunden- Schichten. Die Beigeladene teilte dem Kläger im Vorfeld mit, zu welchen Zeiten sie zur Verfügung stünde. Sie nahm einzelne Aufträge an, wenn sie ihr zusagten, sowohl im Hinblick auf den Anfahrtsweg, als auch auf den jeweiligen Patienten. Die Pflege an sich erfolgte gemäß ärztlicher Anordnung. Weisungen des Klägers dazu, wie die Pflege ausgeführt werden sollte, oder wie mit einem Patienten umzugehen ...

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