Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Vergütung. verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen. Verbindlichkeit der Dokumentationsanforderungen in der PsychThRL 2009
Orientierungssatz
Da die Psychotherapie-Richtlinie (juris: PsychThRL 2009) des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) eine normative Vorgabe darstellt, auf die der Einheitliche Bewertungsmaßstab - EBM (juris: EBM-Ä 2008) in der Überschrift zu Kapitel 35 sowie in Abschnitt 35.1 Nr 1 ausdrücklich Bezug nimmt, sind die dort enthaltenen Dokumentationsanforderungen für den Vertragsarzt verbindlich. Erfüllt der diese nicht, darf er die Gebührenordnungsposition 35110 des EBM (Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen) nicht abrechnen.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2018 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte nach den GOP 03360 und 03362 EBM in Ansatz gebrachte Leistungen zurückgefordert hat. Weiter wird der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2018 betreffend Rückforderungen von für die Quartale 3/14 bis 1/15 abgerechneten Leistungen mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Beklagte über die Rückforderung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme und Neufestsetzung der Honorarbescheide für die Quartale 1/12bis 1/15 (soweit sie den Honoraranspruch für Regional- und Ersatzkassen betreffen) und die daraus resultierende Rückforderung der Beklagten in Höhe von 55.375 € streitig.
Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 13.10.2014 beim Kläger, der seit 01.04.1997 als hausärztlicher Internist in Einzelpraxis niedergelassen ist, eine Plausibilitätskontrolle für die Quartale 1/12 bis 4/13 wegen auffälligen Zeitaufwands ein. Sie bat den Kläger um Übersendung von im Einzelnen aufgeführten Patientendokumentation zu Leistungen nach den GOPen 01415 und 30800. Mit weiterem Schreiben vom 06.05.2015 teilte die Beklagte mit, es habe sich gezeigt, dass die Abrechnung hinsichtlich der GOP 01415 plausibel sei, die Prüfung werde aber auf abgerechnete Leistungen nach den GOPen 03360, 03362, 35110 und 35100 EBM sowie die Quartale bis 2/14 ausgedehnt. Weitere Patientenunterlagen wurden angefordert. Mit Schreiben vom 24.09.2015 wurde die Prüfung dann auf die Quartale 3/14 bis 1/15 ausgedehnt. Nach der nochmaligen Anforderung von Unterlagen unterschrieb der Kläger am 02.06.2016 eine Rückzahlungsvereinbarung betreffend abgerechnete Leistungen nach der GOP 30800 EBM. Was die übrigen geprüften Leistungen betraf, lehnte er eine solche von der Beklagten angebotene Vereinbarung ab. Der Klägerbevollmächtigte nahm ausführlich Stellung zu der eingeleiteten Prüfung und vertrat insbesondere die Rechtsauffassung, eine Abrechnungsprüfung der Quartale 1/12 und 3/12 bis 1/15 verbiete sich bereits aus formalen Gründen, da für diese Quartale kein Aufgreifkriterium erfüllt sei. Was die geprüfte GOP 35100 EBM betreffe, ergäben sich Dokumentationsanforderungen ausschließlich im Hinblick auf ursächliche Zusammenhänge einer psychischen Erkrankung für ein somatisches Leiden und umgekehrt. Fraglich sei, wie eine entsprechende Dokumentation ausgestaltet sein müsse, es erscheine insoweit zweifelhaft, ob das Unterlassen einer solchen Angabe ein grob fahrlässiges Verhalten darstelle.
Mit Bescheid vom 29.07.2016 nahm die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale zurück, soweit sie den Honoraranspruch für Regional- und Ersatzkassen betrafen. Im Übrigen blieben die Honorarbescheide bestehen. Das Honorar wurde für die einzelnen Quartale neu festgesetzt. Die Beklagte setzte den zu erstattenden Rückforderungsbetrag auf insgesamt 55.375 € fest, 14.220,76 € davon entfielen auf die GOP 35100 EBM, 15.705,14 € auf die GOP 35110 EBM, 4.558,24 € auf die GOP 03360 sowie 20.890,86 € auf die GOP 03362 EBM. Begründet wurde dies damit, dass der Klägers gegen seine Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen habe. Bei den Leistungen des Kapitels 35 EBM, wozu die geprüften GOPen 35100 und 35110 gehörten, handle es sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts des EBM in der Kapitelüberschrift um Leistungen gemäß der Psychotherapie-Richtlinie, so dass die Vorgaben der Richtlinie in der Leistungserbringung und in der Leistungsabrechnung zu beachten seien. Die psychosomatische Grundversorgung orientiere sich an der aktuellen Krankheitssituation des Patienten und könne nach der Psychotherapie-Richtlinie des GBA nur im Rahmen einer übergeordneten somato-psychischen Behandlungsstrategie Anwendung finden. Obligater Leistungsinhalt der GOP 35100 sei laut EBM die differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände und der schriftliche Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge. Neben Punkt 2....