Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Ruhensregelung nach § 29 Abs 2 AbgG. unterschriftliche Bestätigung über den Nichtbezug von Abgeordnetenentschädigungen durch den Versicherten. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht verfassungswidrig, dass gem § 29 Abs 2 Abgeordnetengesetz (juris: AbgG) Rentenansprüche eines Bundestagsabgeordneten, auf die gleichzeitig mit Ansprüchen aus Abgeordnetenentschädigung Anspruch besteht, zu 80 vH ruhen.
2. Wer mit Unterschrift wahrheitswidrig bestätigt, dass er bestimmte Zahlungen (hier: Abgeordnetenentschädigung) ab Beginn der Altersrente nicht beziehen werde, kann im Hinblick auf diese Angabe keinen Vertrauensschutz mit der Begründung geltend machen, er habe nicht durchgelesen, was er mit seiner Unterschrift bestätigt habe. Die zu viel gezahlte Altersrente hat er daher zurückzuzahlen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Regelaltersrente des Klägers wegen des Bezugs von Entschädigungen für Abgeordnete teilweise ruht.
Der Kläger ist am XX.XX.1945 geboren. Er ist Bundestagabgeordneter seit 2009.
Am 31.08.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres, also ab 01.10.2010. Der Kläger war hierfür persönlich in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in B-Stadt erschienen, wo sein Antrag von der Beraterin C. aufgenommen wurde. Dabei wurde das Formular R 100 - Antrag auf Versichertenrente - als sogenannter “Antrag online„ ausgefüllt. Bei diesem Verfahren werden dem Antragsteller insgesamt 20 Fragen gestellt, die jeweils mit “ja„ oder “nein„ zu beantworten sind. Die Fragen tauchen nacheinander auf dem Bildschirm auf und werden dem Antragsteller vorgelesen. Die Antwort - ja oder nein - wird dann vom Berater jeweils angeklickt. Ein Ausdruck der so ermittelten Antragsdaten befindet sich in der Beklagtenakte, auch dem Kläger wurde bei Antragstellung ein Ausdruck übergeben. Die Richtigkeit der Antragsdaten im Ausdruck wurde vom Kläger durch Unterschrift bestätigt.
Unter Punkt 10.4 wurde dem Kläger folgende Frage gestellt:
“Werden Sie ab Rentenbeginn Entschädigungen (Diäten) für Abgeordnete erhalten?„
Neben dieser Frage befindet sich die Antwort “nein„ auf dem Antragsdatenblatt.
Am 30.09.2010 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente ab 01.10.2010 in Höhe von monatlich 2.242,19 Euro (incl. Zuschuss zur Krankenversicherung), ohne dass die Ruhensregelung des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz (AbgG) angewendet worden wäre.
Auf Seite 3 des Bescheides findet sich unter der Überschrift “Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten - Andere Leistungen neben der Rente - muss ich diese Leistungen angeben ?„ unter anderem folgender Hinweis: “Sie müssen uns unverzüglich mitteilen, wenn sie neben ihrer Rente eine (…) der folgenden Leistungen beantragen oder beziehen:
(…)
- Entschädigungen für Abgeordnete.
Diese Leistungen können die Höhe Ihrer Rente beeinflussen, auch nachdem sie die Regelaltersgrenze erreicht haben.„
Am 16.11.2010 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Deutschen Bundestages vom 15.11.2010 ein, in dem mitgeteilt wurde, dass dem Kläger Abgeordnetenbezüge in Höhe von 7.646,99 Euro monatlich zustünden und dass gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2, 1 Abgeordnetengesetz die Regelaltersrente des Klägers in Höhe von 80 % zu Ruhen hätte.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 08.12.2010 dazu an, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 30.09.2010 mit Wirkung ab 01.10.2010 gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen und die Überzahlung für die Monate Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 5.381,25 Euro zurückzufordern. Ab 01.11.2011 würden laufend nur noch 449,70 Euro ausbezahlt werden.
Der Kläger nahm hierzu zunächst telefonisch Stellung am 22.12.2010: Die Frage nach dem Bezug von Abgeordnetenentschädigungen sei offenbar deshalb verneint worden, weil die Beraterin gemeint hätte, dass diese Angabe für den Kläger irrelevant sei. Auch meinte der Kläger, § 29 Abgeordnetengesetz sei auf ihn nicht anwendbar, weil er nie in einem Beamtenverhältnis gestanden habe.
In einem Schreiben vom 28.01.2011 trug der Kläger außerdem vor, er habe bei Rentenantragstellung gesagt, dass er Bundestagabgeordneter sei. Für ihn als Laien sei nicht erkennbar, dass “privatrechtliche Angestelltenversicherungsbezüge angerechnet„ würden. Im Übrigen habe er im Vertrauen auf den Rentenbescheid seine Ausgabenstruktur unter Einbeziehung der vollen Rente ausgerichtet, z.B. unterhalte er drei Wahlkreisbüros.
Die Beklagte fragte telefonisch bei Fr. C. an, ob sie sich an die Beratung erinnere, was diese verneinte.
Daraufhin erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 10.02.2011, mit dem die Regelaltersrente ab 01.01.2011 neu berechnet wurde (Zahlbetrag nunmehr 449,70 Euro). Ferner wurde der Bescheid vom 30.09.2010 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung vom 01.10.2010 gemäß § 4...