Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Sonderbedarfszulassung. Medizinisches Versorgungszentrum. Auswahl zwischen mehreren Bewerbern. analoge Anwendung von § 103 Abs 4c S 3 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 103 Abs 4c S 3 SGB V ist bei der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine Sonderbedarfszulassung entsprechend anzuwenden.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.
III. Die Zuziehung einer Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1. für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung streitig.
Der Beigeladene zu 2. ist wie der Beigeladene zu 3. Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie. Der Beigeladene zu 3. verfügt daneben noch über den Schwerpunkt Angiologie sowie die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin.
Mit Formantrag vom 13.12.2018 beantragte die Beigeladene zu 1., eine BAG mit Sitz in C-Stadt, die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 2. mit einem Beschäftigungsumfang von 38 Wochenstunden im Rahmen eines Sonderbedarfs an ihrem Vertragsarztsitz. Sie begründete ihren Antrag mit der Schließung der kardiologischen Praxis Dr. G. in C-Stadt zum 30.6.2018. Aufgrund dieser Schließung sei sie mit einer nicht mehr zu bewältigenden Nachfrage nach dringenden kardiologischen Untersuchungen konfrontiert.
Am 27.12.2018 beantragte die Klägerin, Trägergesellschaft des MVZ A, die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 3. mit einem Beschäftigungsumfang von 20 Wochenstunden im Rahmen eines Sonderbedarfs am Sitz des neu zu gründenden MVZ in H-Stadt. An dem Standort sollten auch die Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie Dr. I. und Dr. J. tätig werden. Die bisherige Praxis von Dr. I. in H-Stadt könne seit Aufgabe der Praxistätigkeit des Dr. G. den Patientenandrang kaum mehr bewältigen; sie behandle einen wesentlichen Anteil der bislang von Dr. G. behandelten gesetzlich versicherten Patienten.
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Kreiskliniken H-Stadt-A-Stadt GmbH.
Der Planungsbereich Raumordnungsregion Südostoberbayern ist für die Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin gesperrt. Für diese Arztgruppe besteht bei einem Ist-Bestand von 81,50 Zulassungen (davon Kardiologen 22,00 Zulassungen) ein Versorgungsgrad von 146 %.
Die Beigeladene zu 4. nahm mit Schreiben vom 25.3.2019 Stellung und beantragte, dem Antrag der Beigeladenen zu 1. stattzugeben sowie den Antrag der Klägerin abzulehnen. Sie verwies auf die Ergebnisse ihrer Befragungen der im Planungsbereich niedergelassenen Kardiologen. Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass es im Planungsbereich entsprechend qualifizierte Fachinternisten gebe, die die in Rede stehenden Leistungen erbrächten und deren Kapazitäten noch nicht vollständig erschöpft seien. Zu jedem beantragten Vertragsarztsitz seien zumindest einige nachvollziehbare Kapazitäten bei angemessener Wartezeit gemeldet worden. Es sei davon auszugehen, dass die Behandlungskapazitäten für kardiologischen Patienten im Planungsbereich noch nicht erschöpft seien und daher kein Bedarf für eine Sonderbedarfszulassung bzw. -anstellung bestehe. Die Auslastung bzw. die Fallzahlstatistik einer Praxis allein könne nicht einen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung begründen. Würde schon eine höhere Auslastung als der Durchschnitt anspruchsbegründend wirken, wären sämtliche Budgetbegrenzungen ad absurdum geführt. Vielmehr komme es darauf an, ob im relevanten Umfeld vom Antrag betroffene Ärzte niedergelassen seien und wie sich deren Leistungserbringung darstelle. Jedoch liege in der Raumordnungsregion Südostoberbayern im Bereich der Kardiologie die Besonderheit vor, dass der Kardiologe Dr. G. die Behandlung der GKV-Patienten zum 30.6.2018 beendet habe, ohne dass eine Praxisübergabe erfolgt sei. Dieser Kardiologe habe im Quartal über 2000 Patienten betreut. Damit habe er weit über dem Fachgruppendurchschnitt gelegen. Aus diesem Grund sei Bedarf für einen Vertragsarztsitz zu sehen.
Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 10.4.2019 den Antrag der Klägerin auf Anstellung des Beigeladenen zu 3. ab und erteilte der Beigeladenen zu 1. die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 2. im Rahmen eines Sonderbedarfs ab 1.5.2019. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.
Der Beigeladene zu 2. nahm am 2.5.2019 seine kardiologische Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. auf.
Die Klägerin legte Widerspruch ein.
Das MVZ der Klägerin wurde ab 1.7.2019 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 6.6.2019).
Der Beklagte wies mit Beschluss vom 26.9.2019 (Bescheid vom 29.10.2019) den Widerspruch der Klägerin zurück und erteilte der Beigeladenen zu 1. die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 2. als angestellter Arzt im Rahmen eines Sonderbedarfs am Vertragsarztsitz C-Stadt, C-Straße (Planungsbereich Raumordnungs...