Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenzahlung nach dem Tod des Leistungsberechtigten. Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts. anderweitige Verfügung. Gutgläubigkeit des Geldinstituts
Leitsatz (amtlich)
Die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen im Kontext von § 118 Abs 3 SGB 6 setzt nicht die Gutgläubigkeit des Geldinstituts voraus (im Anschluss an SG München vom 17.7.2014 - S 30 R 48/13 = WM 2015, 182).
Orientierungssatz
Zum Leitsatz: Entgegen BSG vom 22.4.2008 - B 5a/4 R 79/06 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 6.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer nach dem Tod des Berechtigten weiter gezahlten Rente.
Der Rentenberechtigte, Herr B., verstarb am ….2012. Die Beklagte brachte noch die Rente für den Monat Juni 2011 zur Auszahlung. Der Zufluss auf dem Konto in Höhe von EUR 1.049,20 ist mit dem 31.05.2012 verbucht. Bereits am 1.6.2012 hatte die Beklagte Kenntnis vom Tod des Rentners erlangt. Im Juni bis August 2012 erfüllte sie verschiedene Lastschriften aus dem Konto. Das Konto wurde am 6.8.2012 aufgelöst; der Erbin, Frau B.- B., wurden 17.538,40 € gutgeschrieben.
Am 13.8.2012 forderte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.041,55 € zurück. Die Beklagte erwiderte, dass das Konto am 6.8.2012 aufgelöst worden sei. Einen Rentenrückruf habe die Beklagte bisher noch nicht erhalten. Sie fügte eine Aufstellung der gesamten Kontobewegungen zwischen Rentengutschrift und Rückforderungsverlangen vom 13.08.2012 an. Mit Bescheid vom 2.10.2012 forderte die Klägerin den streitigen Betrag unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 3.6.2009 zurück (B 5 R 120/07). Da entscheidend auf die Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten abzustellen sei, seien die ab dem 15.6.2012 vorgenommenen Verfügungen nicht anspruchsmindernd. Die Beklagte könne sich nicht auf Auszahlung berufen.
Die Beklagte wies mit Schreiben vom 22.10.2012 darauf hin, dass sich die Klägerin nicht der Handlungsform eines Verwaltungsakts bedienen durfte. Sie verwies weiter auf einige erstinstanzliche Entscheidungen der Sozialgerichte Köln, Stuttgart und München.
Die Klägerin erhob Leistungsklage zum Sozialgericht Berlin. Mit Beschluss vom 21.1.2013 wurde der Rechtsstreit an das Sozialgericht München verwiesen.
Die Klägerin verweist auf eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach der Rücküberweisungsanspruch nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI gegen das Geldinstitut “vorrangig„ sei. Er mindere sich nur, soweit anderweitig über das Konto verfügt worden sei. Eine anderweitige Verfügung, die den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindert, liege allerdings dann nicht vor, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung bereits Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte (Urteil des BSG vom 03.06.2009, a.a.O.). Vorliegend habe sich die Beklagte hinsichtlich der Verfügungen ab dem 1.6.2013 auf Auszahlung berufen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie aber nach eigenen Angaben bereits Kenntnis vom Tod des Berechtigten gehabt. Die Verfügungen ab diesem Zeitpunkt seien somit keine den Rücküberweisungsanspruch mindernde “anderweitige Verfügungen„. Die Beklagte könne sich daher insoweit nicht auf Auszahlung berufen.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.041,55 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
§ 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI stelle bezüglich der Frage, ob ein Rückzahlungsanspruch aufgrund von Verfügungen über das Guthaben besteht, allein auf den Zeitpunkt “bei Eingang der Rückforderung„ ab. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung bestehe somit nach dieser Vorschrift nicht. Die Entstehungsgeschichte des § 118 SGB VI beweise, dass der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit den Rentenversicherungsträgern und den Geldinstituten weiterhin die vor Inkrafttreten des SGB VI übliche Praxis habe legitimieren wollen, wonach es für die Haftung des Geldinstitutes ausschließlich auf den Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung ankommen könne. Genauso wie diese historische Auslegung könne auch die grammatikalische Auslegung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI mit dem schlichten Wortlaut “bei Eingang der Rückforderung„ zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Gesetzgeber habe an die Möglichkeit von Ausnahmen hierzu durchaus gedacht, als solche Ausnahmen jedoch abschließend die Variante formuliert, “dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann„. Regele der Gesetzgeber die Tatbestandsvoraussetzungen und die Ausnahmen in einem Satz, so bleibe kein Raum für die Annahme, er habe noch weitere Ausnahmen im Sinn gehabt. Jeder Satz des § 118 Abs. 3 SGB VI habe seine eigene Ziel- und Zwecksetzung; sie könnten daher nicht miteinander vermengt werden. Zur Stützung ihrer Auffassung zitiert die Beklagte das BSG mit dem Urteil vom 13.11.2008, B 13 R 48/07 R. § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI diene hiernach zum einen der Bewahrung der Solidargemeinschaft der Versicherten vor finanziellen Verlusten, zum ...