Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Nachversicherung. Fälligkeit. Säumniszuschlag wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge. Vorenthaltung von Beiträgen. Verjährungsfrist. Vorsatz
Orientierungssatz
1. Auf fällige, aber verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge sind Säumniszuschläge zu erheben, wenn der Nachversicherungsschuldner nicht glaubhaft gemacht hat, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
2. Vorsatz bzw bedingter Vorsatz bei der Vorenthaltung von Beiträgen iS von § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 erfordert das Bewusstsein und den Wille, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Dabei reicht es für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit, genügt nicht.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Säumniszuschläge wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge zahlen muss.
Der 1946 geborene Versicherte war von 01.07.1968 bis 07.06.1999 beim Kläger in einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis als Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst beschäftigt. Er wurde auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Die Nachversicherung für die Beschäftigungszeit wurde im Juli 2004 durchgeführt. Mit Schreiben vom 02.07.2004 wurden der Beklagten die Nachversicherungsdaten mitgeteilt, die Wertstellung der Nachversicherungsschuld in Höhe von 185.471,04 EUR (362.749,83 DM) erfolgte am 09.07.2004.
Mit Bescheid vom 27.08.2004 machte die Beklagte Säumniszuschläge auf Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 100.860,50 EUR geltend und forderte den Kläger zur Überweisung dieses Betrags auf. Auf der Basis eines Fälligkeitstags am 08.06.1999 und unter Berücksichtigung einer Drei-Monats-Frist zum Zweck der Klärung von Fragen eines etwaigen Aufschubs (Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.04.1999) wurden der Berechnung 59 Monate Säumnis zugrunde gelegt.
Am 10.09.2004 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Klage ein und erhob die Einrede der Verjährung. Zur Anwendung komme die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV; bei Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 08.06.1999 sei Verjährung am 31.12.2003 eingetreten.
Auf den Einwand der Beklagten, dass der Anspruch auf den Säumniszuschlag auf verspätet gezahlte Pflichtbeiträge in 30 Jahren verjähre, weil die entsprechenden Beiträge bedingt vorsätzlich vorenthalten worden seien, macht der Kläger geltend, dass ein vorsätzliches bzw. ein bedingt vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge nicht vorliege. Dazu wird folgender Sachverhalt geschildert und auf diverse Anlagen Bezug genommen (insbesondere Schreiben des Bayerischen Justizministeriums an die Bezirksfinanzdirektion München vom 02.09.1999, vom 09.06.1999 und vom 24.06.2004, Organisationsplan der Bezirksfinanzdirektion München Stand 01.06.1999, Kopien aus der Besoldungsakte des Versicherten, Auszug aus dem von der Bezirksdirektion Würzburg erarbeiteten "Leitfaden für die Nachversicherung" vom 19.07.1999):
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz habe die Bezirksfinanzdirektion München - Bezügestelle Besoldung - mit Schreiben vom 02.06.1999 und 09.06.1999 über die Entlassung des Versicherten informiert "mit der Bitte um Einstellung der Dienstbezüge und weitere Veranlassung hinsichtlich der Nachversicherung". Die Bezirksfinanzdirektion München sei zuständig gewesen für die Entscheidung über den Aufschub der Beitragszahlung bzw. die Durchführung der Nachversicherung des Versicherten (§ 3 Nr. 3 Verordnung über Zuständigkeiten für die Entscheidung über den Aufschub der Beitragszahlung). Für die Festsetzung und Abrechnung der Beamtenbezüge des Versicherten sei das Referat 51/2 der Abteilung V/2 "Bezüge" zuständig gewesen, für die Nachversicherung das Referat 55 derselben Abteilung. Die Schreiben vom 02.06.1999 und 09.06.1999 seien beim Referat 51/2 in Einlauf gelangt und dort bearbeitet worden im Hinblick auf die umgehend gebotene und auch veranlasste Einstellung der Dienstbezüge ab Juli 1999. In der Folgezeit sei vom Referat 51/2 gegenüber dem Versicherten eine Rückforderung in Höhe von 1024,81 DM wegen der für die Zeit von 08.06. bis 30.06.1999 ohne Rechtsgrund gezahlten Beamtenbezüge geltend gemacht worden, und zwar zunächst mit Einschreiben vom 13.10.1999 und anschließend mit Rückforderungsbescheid vom 20.12.1999. Nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheids sei bis Ende 2000 versucht worden, den Rückforderungsbetrag im Wege der Zwangsvollstreckung vom Versicherten, der zwischenzeitlich seinen Wohnsitz nach Italien verlegt hatte, beizutreiben. Die Sachbearbeiter des Referats 51/2 hätten es nach Eingang des Schreibens vom 02.06.1999 und auch in ...