Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommenshöchstgrenze. Berücksichtigung von ausländischen Kapitalerträgen trotz Abgeltungssteuer. anderslautende BEEG-Richtlinien. keine Gleichbehandlung im Unrecht
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommenshöchstgrenze nach § 1 Abs 8 BBEG ist es nicht ausschlaggebend, ob Kapitalerträge im Einkommensteuerbescheid aufgeführt sind oder wegen Eingreifens der Abgeltungssteuer ( § 32 d EStG ) eventuell nicht aufgeführt sind.
2. Der gegenteiligen Auffassung, wie sie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in den von ihm herausgegebenen Richtlinien zum BEEG (unter Nr 1.8) zum Ausdruck bringt, kann nicht gefolgt werden.
3. Ohnehin sind aber auch nach den BEEG-Richtlinien ausländische Kapitalerträge, die im Einkommensteuerbescheid erwähnt werden, mit zu berücksichtigen.
4. Wegen gegebenenfalls unzutreffender anderweitig begünstigender Entscheidungen kann keine diesbezügliche Gleichbehandlung gefordert werden.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung von Elterngeldgewährung durch den Beklagten, begründet mit Überschreitung der Einkommensgrenze von 300.000 €, vgl. § 1 Abs. 8 Bundeselterngeldgesetz (BEEG).
Die Klägerin beantragte mit Antrag vom 3.12.2021 Elterngeld für ihre am 2021 geborene Tochter C. für die Lebensmonate 1-12. Sie gab an, dass die maßgebliche Einkommensgrenze von 300.000 € im Kalenderjahr 2020 möglicherweise überschritten sei und fügte den Einkommensteuerbescheid vom 15.6.2021, Einkommensteuer für 2020 bezüglich der Klägerin und ihrem Ehemann, bei. Dort wird bezüglich des Gesamtbetrages der Einkünfte ein zu versteuerndes Einkommen von 290.291 € angegeben. Berücksichtigt sind hierbei Abzug für Kinderbetreuungskosten in Höhe von 4.000 € und Freibetrag für das am 2018 geborene Kind in Höhe von 7.812 €. Im Steuerbescheid werden weiter aufgeführt Einkünfte, die nach § 32 d Abs. 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer) in Höhe von 19.272 €.
Der Beklagte erließ Bescheid vom 20.1.2022 und führte aus, dass ein Anspruch auf Elterngeld wegen Überschreitung der Einkommensgrenze von 300.000 € nicht bestehe. Maßgeblich sei der Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2020. Es seien das zu versteuernde Einkommen inklusive Kapitalerträge, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung etc. heranzuziehen.
Mit hiergegen erhobenem Widerspruch wurde geltend gemacht, dass in dem Einkommensteuerbescheid das zu versteuernde Einkommen mit 290.291 € ausgewiesen sei und deshalb Anspruch auf Elterngeld bestehe.
Im ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 14.2.2022 wurde auf § 1 Abs. 8 BEEG verwiesen. Nach dem eindeutigen Wortlaut werde darin auf das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG abgestellt und damit würden uneingeschränkt alle Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst, vermindert um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge. Entsprechend dem gesetzgeberischen Willen seien aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität bei der Ermittlung des Einkommens nur Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen, die im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt seien. Auch diese würden zu den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehören. Im vorliegenden Fall liege ein zu versteuerndes Einkommen der Klägerin und ihres Ehemanns von über 300.000 € vor.
Im Klageverfahren wurde mit Klagebegründung vom 20.6.2022 geltend gemacht, dass bei der Verwaltungspraxis, nur Kapitalerträge zu berücksichtigen, die aus dem Einkommensteuerbescheid hervorgehen, vgl. hierzu Richtlinie des BMFSFJ zum BEEG, Ziff 1.8, es zu willkürlichen Ergebnissen komme und damit zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung.
Im Falle der Klägerin, welche eine gemeinsame Einkommensteuererklärung zusammen mit ihrem Ehemann abgegeben habe, seien die Kapitalerträge nur deshalb in der Einkommensteuererklärung mit aufgenommen worden, weil ein geringer Teil der Kapitalerträge nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen sei und somit eine Verpflichtung zur Erklärung bestanden habe. Es habe sich hierbei um ausländische Kapitalerträge in Höhe von 2.675 € gehandelt. Dies ergebe sich aus dem Auszug aus der Einkommensteuererklärung vom 15.4.2021. Allein wegen dieser ausländischen Kapitalerträge habe die Steuererklärung auch in Bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen erfolgen müssen. Hiervon umfasst seien dann auch die Kapitalerträge, die der Abgeltungssteuer unterlegen seien, welche jedoch den ganz überwiegenden Teil der Kapitalerträge ausgemacht hätten. Die Selbstbindung der Verwaltung in der Richtlinie benachteilige daher in erheblichem Maße berechtigte Personen, die in Bezug auf Kapitalerträge nur wegen eines geringen Anteils an ausländischen Kapitalerträgen eine Steuererklärung auch zu den Kapitaleinkünften abgeben müssten, und zwar im Vergleich zu den berechtigten P...