Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. vorläufiger Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung sowie die Freigabe an Dritte. verfassungskonforme Auslegung des § 115 Abs 1a SGB 11. gesetzliche Anforderungen. Ergebnis- und Lebensqualität. Berufsausübungsfreiheit

 

Orientierungssatz

1. Zu den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Veröffentlichung eines vorläufigen Transparenzberichts im Internet oder in sonstiger Weise sowie gegen die Freigabe der Ergebnisse an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens.

2. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 115 Abs 1a SGB 11 kann nur zu dem Ergebnis führen, dass die vom Gesetz vorgesehene Veröffentlichung von Berichten über Qualitätsprüfungen grundsätzlich nur auf der Grundlage zutreffender Tatsachenfeststellungen erfolgen darf.

3. Solange "valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität" überhaupt nicht vorliegen, kann es nach Ansicht der Kammer auch keine Prüfberichte geben, die der gesetzlichen Anforderung des § 115 Abs 1a S 1 SGB 11 genügen können, nach der die erbrachten Leistungen der Pflegeeinrichtungen ausdrücklich insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität zu beurteilen sind. Prüfberichte, die diesem Anspruch nicht entsprechen, sind rechtswidrig und verletzen das Grundrecht der Einrichtungsträger aus Art 12 GG.

 

Tenor

Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens (Az.: S 6 P 193/09 SG Münster) die Veröffentlichung des vorläufigen Transparenzberichts vom 09. November 2009 - im Internet oder in sonstiger Weise - zu unterlassen.

Die Antragstellerin ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens nicht verpflichtet, eine Zusammenfassung der Qualitätsprüfung vom 28. Juli 2009 in der Pflegeeinrichtung auszuhängen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

In dem gemäß § 72 des Sozialgesetzbuches - Elftes Buch - (SGB XI) durch Versorgungsvertrag zugelassenen Alten- und Pflegeheim der Antragstellerin führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) am 28. Juli 2009 eine Qualitätsprüfung (Regelprüfung) nach den §§ 114 ff SGB XI durch.

Der vom MDK erstattete Prüfbericht enthält u.a. einen umfassenden Katalog von "Empfehlungen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten". Die Antragsgegner übersandten mit Schreiben vom 10. August 2009 der Antragstellerin diesen Prüfbericht und kündigten an, mit einem Bescheid gemäß § 115 Abs. 2 SGB XI der Antragstellerin aufzugeben, die vom MDK aufgelisteten Mängel zu beseitigen. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde eine Frist bis zum 14. September 2009 eingeräumt.

In einer ausführlichen, eingehenden Stellungnahme vom 11. September 2009 erhob die - bei der Prüfung nicht anwesend gewesene - Heim- und Pflegedienstleitung der Antragstellerin unter Vorlage von Unterlagen (u.a. eines aktuellen Berichts der kommunalen Heimaufsicht) konkrete Einwendungen gegen die im Prüfbericht aufgezeigten Mängel. Die Feststellungen der Prüfer seien weitgehend unzutreffend.

Durch den Bescheid vom 26. Oktober 2009 gaben die Antragsgegner sodann der Antragstellerin auf, die vom MDK vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten zu treffen. Hiergegen richtet sich die am 25. November 2009 beim Sozialgericht Münster erhobene Klage (Az.: S 6 P 193/09) und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 02. Dezember 2009 (Az.: S 6 P 201/09 ER), mit dem die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage begehrt.

Am 09. November 2009 übersandten die Antragsgegner der Antragstellerin per Internet mit einem Erkennungscode einen vorläufigen Transparenzbericht, der auf der Grundlage des Prüfberichts vom 28. Juli 2009 erstellt worden war. Der Transparenzbericht weist als rechnerisches Gesamtergebnis aus 64 Einzelnoten die Note "ausreichend" (3,8) aus. Der Qualitätsbereich "Pflege und medizinische Versorgung" erhielt die Gesamtnote "mangelhaft" (4,7). Der Bereich "Umgang mit demenzkranken Bewohnern" wurde mit "ausreichend" (3,9) bewertet. Im Bereich "Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung" wurde die Einrichtung mit "befriedigend" (3,4) beurteilt. Ein "sehr gut" (1,4) gab es für den Qualitätsbereich "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene". Als Ergebnis der Befragung der Bewohner, das nicht in das Gesamtergebnis einfließt, wurde die Note "gut" (1,6) angegeben.

Am 02. Dezember 2009 stellte die Antragstellerin den hier streitigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der den Antragsgegnern die Unterlassung der Veröffentlichung des Transparenzberichts aufgegeben werden soll. Nach dem von den Antragsgegnern geübten Verfahren sei mit einer Veröffentlichung des Berichts 28 Kalendertage nach seiner Übersendung an die Einrichtung ...

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