Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Bestattungsvorsorgevertrag. Härte
Orientierungssatz
1. Dem Wunsch eines Leistungsberechtigten, für die Zeit nach dem Tod vorzusorgen, ist in der Form Rechnung zu tragen, dass ihm die Mittel für eine angemessene Bestattung und Grabpflege erhalten bleiben, die er zu diesem Zweck zurückgelegt hat. In verfassungskonformer Auslegung ist das angesammelte, der Bestattung und Grabpflege dienende Vermögen durch § 90 Abs 3 SGB 12 geschützt.
2. Allerdings entfällt der Schutz des § 90 Abs 3 SGB 12, wenn sich ein Dritter mit notariellem Vertrag verpflichtet hat, im Falle des Todes des Leistungsberechtigten diesen standesgemäß bestatten zu lassen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege gemäß §§ 9 Satz 1, 28 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) in Verbindung mit §§ 8 Nr. 5, 19 Abs. 3, 61 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in der Zeit vom 25.02.2015 bis zum 30.06.2015 zu gewähren.
Die am 00.00.1926 geborene Klägerin übertrug mit notariellem Vertrag vom 07.03.1994 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann das Eigentum an ihrem Hof (landwirtschaftlicher Betrieb) mit einer Größe von ca. 16,2 ha an ihren Sohn. Unter II dieses notariellen Vertrages heißt es: "Der Übertragsnehmer ist verpflichtet, die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung des Übertragsgebers zu tragen und die Grabpflege zu besorgen. Zahlungen durch Sterbegeldversicherungen gebühren dem Übertragsnehmer."
Am 02.02.2014 schloss die Klägerin mit dem Bestattungshaus K. I., W.-S., einen Bestattungsvorsorgevertrag sowie mit der E. C. U. Aktiengesellschaft einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag mit einem Volumen von 4500,00 Euro. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die jeweiligen Verträge (Bl. 47 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten). Am 24.02.2015 stellte sie bei dem Beklagten einen Antrag auf Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege. Seit dem 25.02.2015 erhielt sie stationäre Pflege im St. Q. Heim in H ...
Mit Bescheid vom 20.04.2015 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ab. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig im Sinne des § 19 Abs. 3 SGB XII. Bei der Berechnung der Sozialhilfe seien sowohl Einkommen im Sinne der §§ 83 ff. SGB XII als auch Vermögen (§ 90 SGB XII) des Hilfesuchenden zu berücksichtigen. Daher komme eine Gewährung von Sozialhilfe nicht in Betracht. Zum Vermögen gehöre insbesondere auch der Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag der Klägerin. Dieser sei nicht geschützt im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII.
Mit Schreiben vom 24.04.2015, bei dem Beklagten eingegangen am 28.04.2015, erhob die Klägerin Widerspruch.
Zum 18.05.2015 zog sie in das Haus St. X., W.-S ... Auch dort erhält sie seit dieser Zeit stationäre Pflege. Den Wechsel des Pflegeheims teilte sie dem Beklagten am 10.06.2015 mit. Mit einem mit "Sicherungsabtretung" überschriebenen Vertrag vom 16.06.2015 übertrug die Klägerin der Seniorenwohn- und Pflegeeinrichtung Haus St. X. in W. "das Guthaben von 4500,00 Euro auf einem Treuhandkonto bei der E. C. AG." Daher leistet der Beklagte nunmehr (Bescheid vom 28.07.2015) ab dem 01.07.2015 Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2015 wies er den Widerspruch vom 24.04.2015 (im Übrigen) zurück.
Die Klägerin hat am 03.09.2015 Klage erhoben. Ihr seien Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege als Zuschuss sowohl für die Zeit vom 25.02.2015 bis zum 17.05.2015 (Aufenthalt im St. Q. Heim in H.) in Höhe von 2307,02 Euro als auch in der Zeit vom 18.05.2015 bis zum 30.06.2015 (Aufenthalt im Haus St. X. in W.) in Höhe von 1803,61 Euro zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2015 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 25.02.2015 bis zum 30.06.2015 Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege sowie Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid vom 20.04.2015 weiterhin für rechtmäßig. Hinsichtlich seiner Rechtsauffassung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 20.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2015 nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)...