Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Bestattungsvorsorgevertrag. Härte
Orientierungssatz
1. Dem Wunsch eines Leistungsberechtigten, für die Zeit nach dem Tod vorzusorgen, ist in der Form Rechnung zu tragen, dass ihm die Mittel für eine angemessene Bestattung und Grabpflege erhalten bleiben, die er zu diesem Zweck zurückgelegt hat. In verfassungskonformer Auslegung ist das angesammelte, der Bestattung und Grabpflege dienende Vermögen durch § 90 Abs 3 SGB 12 geschützt.
2. Der Schutz des § 90 Abs 3 SGB 12 entfällt jedoch, wenn sich ein Dritter mit notariellem Vertrag verpflichtet hat, im Falle des Todes des Leistungsberechtigten diesen standesgemäß bestatten zu lassen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin in der Zeit vom 30.06.2015 bis zum 31.05.2016 Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege gemäß §§ 9 Satz 1, 28 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) in Verbindung mit §§ 8 Nr. 5, 19 Abs. 3, 61 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu gewähren.
Die am 00.00.1931 geborene Klägerin übertrug mit notariellem Vertrag vom 10.11.1995 das Eigentum an ihrem Grundstück "Flur 00, Flurstück 000, 000 qm, Hof- und Gebäudefläche C ...weg 00, F." auf ihren Sohn N. I ... Unter der Überschrift "Beerdigung" dieses Vertrages heißt es: "Nach dem Tode der Übertragsgeberin trägt der Übertragsnehmer die Kosten der Bestattung, einschließlich all dessen, was auch in kirchlicher Hinsicht für ein Grabmal und eine angemessene Grabpflege in der Zukunft und auf die Dauer des Bestehens des Elterngrabes erforderlich ist. Dafür stehen dem Übertragsnehmer auch die Sterbegelder pp. zu."
Die Klägerin erhält seit dem 23.12.2014 stationäre Pflege im Haus T. in F ... Bereits im September 2014 hatte sie einen Antrag bei dem Beklagten auf Gewährung von Pflegewohngeld nach dem Alten- und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG NRW) sowie auf Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege gestellt. Mit Bescheid vom 16.01.2015 bewilligte der Beklagte Pflegewohngeld, mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte er Leistungen nach dem SGB XII ab. In der Zeit bis einschließlich Mai 2015 besaß die Klägerin folgendes Vermögen: Girokonto Nr. 000 in Höhe von 394, 60 Euro, Sparkonto Nr. 000 in Höhe von 2600,00 Euro, Rückkaufswert der Lebensversicherung bei der H.-Versicherung in Höhe von 8044,20 Euro.
Am 18.06.2015 schloss die Klägerin mit dem Bestattungsinstitut I. C., F., einen Bestattungsvorsorgevertrag. In diesem verpflichtete sie sich, als "Gegenleistung und Sicherung zur Deckung der Bestattungskosten aus diesem Bestattungsvorsorgevertrag folgende Leistungen unwiderruflich" zu erbringen: H.-Versicherung, Nr.000 in Höhe von 8807,20 Euro. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf den Vertrag vom 18.06.2015 (Bl. 117 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten).
Am 30.06.2015 stellte sie bei dem Beklagten erneut einen Antrag auf Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege. Diesen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.10.2015 ab. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig im Sinne des § 19 Abs. 3 SGB XII. Bei der Berechnung der Sozialhilfe seien sowohl Einkommen im Sinne der §§ 83 ff. SGB XII als auch Vermögen (§ 90 SGB XII) des Hilfesuchenden zu berücksichtigen. Daher komme eine Gewährung von Sozialhilfe nicht in Betracht. Zum Vermögen gehöre insbesondere auch der nicht angemessene Bestattungsvorsorgevertrag der Klägerin. Dieser sei nicht geschützt im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 03.11.2015 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2016 zurück.
Mit Bescheid vom 09.08.2016 gewährt der Beklagte der Klägerin ab dem 01.06.2016 Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege.
Am 01.09.2016 hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 08.10.2015 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe Sozialhilfe ab dem 30.06.2015 zu. Insbesondere sei ihr Bestattungsvorsorgevertrag mit dem Bestattungshaus I. C. schutzwürdig im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2016 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 30.06.2015 bis zum 31.05.2016 Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zur Pflege nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig. Hinsichtlich seiner Rechtsauffassung verweist er im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 28.07.2016.
Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 hat die Klägerin mitgeteilt, dass der Bestatter I. C. im Falle einer Kündigung des Vertrages keine Aufwandsentschädigung o. ä. geltend machen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den...