Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. vorbeugende Unterlassungsklage gegen die drohende Veröffentlichung. Berufsausübungsfreiheit. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 115 Abs 1a S 6 SGB 11. Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS). Ungeeignetheit der Beurteilungskriterien. Einwilligung der befragten Pflegebedürftigen. Schriftform
Orientierungssatz
1. Die Klage des Trägers einer Pflegeeinrichtung gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts ist als vorbeugende Unterlassungsklage in Form der Leistungsklage ohne Durchführung eines Vorverfahrens und Einhaltung einer Klagefrist gemäß § 54 Abs 5 SGG statthaft.
2. Dem Einrichtungsträger steht gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichts ein aus der Abwehrfunktion der Grundrechte abzuleitender öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Eine Veröffentlichung würde sein Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit gem Art 12 GG verletzen.
3. Die Kammer neigt weiterhin - wie schon in ihrem Urteil vom 20.8.2010 - S 6 P 111/10 = MedR 2011, 529 dargelegt - zu der Auffassung, dass die Veröffentlichung von Transparenzberichten gegenwärtig bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die in § 115 Abs 1a S 6 SGB 11 vorgesehene Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die demokratisch nicht legitimierten Vertragsparteien angesichts des Parlamentsvorbehalts und der Schranken des Art 80 GG verfassungswidrig ist.
4. Solange noch keine Kriterien entwickelt worden sind, die das Potential haben, zuverlässig Aussagen über die Qualität von Pflege machen zu können, kann die Veröffentlichung von Pflegenoten nicht rechtmäßig sein.
5. Die Einwilligung der befragten Pflegebedürftigen muss schriftlich eingeholt werden.
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, die Veröffentlichung eines Transparenzberichts über die Pflegeeinrichtung des Klägers aufgrund der MDK-Prüfung am 20. Dezember 2010 über die Internetportale der Beklagten - oder in sonstiger Weise - zu unterlassen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger die Unterlassung der Veröffentlichung eines Transparenzberichts verlangen kann.
Der Kläger ist Träger der durch Versorgungsvertrag zugelassenen Kurzzeitpflegeeinrichtung "N.-U.-I." in T ... Diese Einrichtung wurde am 20. Dezember 2010 gemäß §§ 114 ff des Sozialgesetzbuches - Elftes Buch - (SGB XI) im Auftrag der beklagten Landesverbände der Pflegekassen vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) geprüft. Zu diesem Zeitpunkt versorgte die Einrichtung, in der zehn Plätze vorgehalten werden, neun Kurzzeitbewohner. Fünf Pflegebedürftige wurden in die Prüfung einbezogen.
Auf der Grundlage des Prüfberichts der MDK-Prüferinnen N.-U. C. und Dr. B.Q. vom 20. Dezember 2010 wurde ein vorläufiger, noch nicht veröffentlichter Transparenzbericht erstellt. Darin wird als Gesamtergebnis die Note "befriedigend" (2,6) ausgewiesen. Der Qualitätsbereich "Pflege und Medizinische Versorgung" erhielt die Gesamtnote "befriedigend" (2,6). Der Bereich "Umgang mit demenzkranken Bewohnern" wurde ebenfalls mit "befriedigend" (2,8) bewertet. Auch der Bereich "Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung" wurde mit "befriedigend" (3,4) beurteilt. Ein "sehr gut" (1,4) gab es für den Qualitätsbereich "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene". Bei 16 der insgesamt 64 Einzelkriterien wurde die Note "5,0" vergeben. Als Landesdurchschnitt wurde 1,8 ("gut") angegeben. Als Ergebnis der Befragung der Bewohner, das nicht in das Gesamtergebnis mit einfließt, wurde die Note "sehr gut" (1,0) mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2011 forderte der Kläger die Beklagten zur Abgabe einer Unterlassungserklärung hinsichtlich der - nach Ablauf der 28-Tage-Frist - für den 04. Februar 2011 vorgesehenen Veröffentlichung des Transparenzberichts auf. Die Veröffentlichung eines Transparenzberichts wäre rechtswidrig. Die Anwendung der Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS) auf eine Einrichtung der Kurzzeitpflege sei nicht zulässig, weil der Fragenkatalog der PTVS nicht die Besonderheiten einer Kurzzeitpflege berücksichtige. Im Übrigen sei schon die PTVS nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts Münster rechtswidrig. Daneben leide die durchgeführte Qualitätsprüfung an formellen Mängeln. Die Prüferinnen seien nicht hinreichend geeignet gewesen, weil keine von ihnen die nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien notwendige Auditorenausbildung absolviert habe. Auch sei die Prüfung nicht - wie zwingend erforderlich - umfassend im Team erfolgt. Vielmehr hätten die Prüferinnen die Begutachtungen der Dokumentationen und der Kunden jeweils allein vorgenommen. Ferner werde bestritten, dass vor der Prüfung wirksame Einverständniserklärungen von den Pflegebedürftigen oder ihren Betreuern eingeholt worden seien. Schließlich leide die Qualitätsprüfung auch an vielen inhaltlichen Fehlern.
Mit Schreiben...