Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. vorbeugende Unterlassungsklage gegen die drohende Veröffentlichung. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 115 Abs 1a SGB 11. Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). gesetzliche Anforderungen. Verletzung der Berufsausübungsfreiheit. Maßstab bei der Prüfung der Bewertungen. Streitwert
Orientierungssatz
1. Die Veröffentlichung von Pflegenoten auf Grundlage der geltenden Pflege-Transparenzvereinbarungen verletzt das Grundrecht der Einrichtungsträger auf Berufsausübungsfreiheit (Art 12 GG). Die vom Gesetzgeber gestellten Anforderungen an die Veröffentlichung von Transparenzberichten werden - allesamt - nicht erfüllt. Weder geben diese Berichte verlässlich Auskunft über die Qualität der von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen, noch sind die im Internet veröffentlichten Berichte für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar (Festhaltung an zuletzt SG Münster vom 24.6.2011 - S 6 P 14/11 = DuD 2011, 902; entgegen LSG Essen vom 15.8.2012 - L 10 P 137/11).
2. Angesichts der Grundrechtsbetroffenheit bei marktsteuernden Veröffentlichungen und der dabei bestehenden öffentlichen Interessen an einer zuverlässigen Information, sind bei der Prüfung der veröffentlichten Bewertungen keine großzügigen Maßstäbe anzulegen (so auch LSG Berlin-Potsdam vom 29.3.2010 - L 27 P 14/10 B ER = MMR 2010, 643).
3. Zur Bestimmung des Streitwertes in einem Unterlassungsklageverfahren gegen die drohende Veröffentlichung eines Transparenzberichtes (entgegen LSG Essen aaO).
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, die Veröffentlichung eines Transparenzberichts über den ambulanten Pflegedienst des Klägers aufgrund der MDK-Prüfung am 17. und 18. Oktober 2011 über die Internetportale der Beklagten - oder in sonstiger Weise - zu unterlassen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger die Unterlassung der Veröffentlichung eines sogenannten Transparenzberichts verlangen kann.
Der Kläger ist Träger des durch Versorgungsvertrag zugelassenen ambulanten Pflegedienstes "D ". Am 17. und 18. Oktober 2011 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) im Auftrag der Beklagten in dieser Pflegeeinrichtung eine Qualitätsprüfung (Regelprüfung) nach den §§ 114 ff des Sozialgesetzbuches - Elftes Buch - (SGB XI) durch. Zu diesem Zeitpunkt versorgte der Pflegedienst insgesamt 258 Kunden, davon 134 Pflegebedürftige mit Sachleistungsbezug. Von diesen Pflegebedürftigen wurden 14 Kunden in die Prüfung einbezogen. In seiner zusammenfassenden Beurteilung (S. 9 des Prüfberichts) stellte der MDK fest, dass im Rahmen der Qualitätsprüfung überwiegend ein "sachgerechter Umgang bei den auf den Pflegebedürftigen bezogenen Aspekten" habe festgestellt werden können. Meist seien diese Aspekte "unzureichend in den Pflegedokumentationen dargestellt" worden.
Der auf der Grundlage des Prüfberichts erstellte, auf Einwendungen des Klägers und auf der Grundlage einer Stellungnahme des MDK vom 30. April 2012 geänderte, noch nicht veröffentlichte vorläufige Transparenzbericht weist als Gesamtergebnis die Note "gut" (2,3) aus. Der Qualitätsbereich "Pflegerische Leistungen" erhielt die Note "ausreichend" (3,8). Der Bereich "Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen" wurde mit "gut" (1,8) bewertet. Im Qualitätsbereich "Dienstleistung und Organisation" wurde der Pflegedienst mit "sehr gut" (1,4) beurteilt. Als Ergebnis der Befragung der Kunden, das nicht in das Gesamtergebnis einfließt, wurde die Note "sehr gut" (1,0) angegeben.
Am 02. März 2012 beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der den Beklagten die vorläufige Unterlassung der Veröffentlichung des Transparenzberichts aufgegeben werden sollte. Mit ihrer Zwischenentscheidung vom gleichen Tage verpflichtete die Kammer die Beklagten, bis zur Eilentscheidung des Gerichts die Veröffentlichung des Berichts vorläufig zu unterlassen. Über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat die Kammer - aus prozessökonomischen Erwägungen - bislang nicht abschließend entschieden.
Zur Begründung der am 05. März 2012 erhobenen Unterlassungsklage trägt der Kläger vor, der Transparenzbericht sei rechtswidrig und verletze sein Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 des Grundgesetzes (GG). Der Transparenzbericht beruhe auf einer formell und materiell fehlerhaften Qualitätsprüfung und auf der Rechtswidrigkeit der Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). Ein ordnungsgemäßer Prüfauftrag habe nicht vorgelegen. Die Stichprobengröße sei zu niedrig gewesen, wirksame Einverständniserklärungen der Pflegebedürftigen seien nicht eingeholt worden, die Qualitätsprüfung sei nicht im gebotenen Maße durch ein Prüfteam erfolgt und die Erläuterung der Bewertungssystematik sei fe...