Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Bewilligung von Versorgung bei Verletzung durch aufgefundenes Kriegsmaterial

 

Orientierungssatz

1. Das Liegenbleiben von Munition und Kriegsgerät an einem für jeden zugänglichen Ort erfüllt den Tatbestand eines kriegseigentümlichen Gefahrenbereichs i. S. der §§ 1 Abs. 2a, 5 Abs. 1e BVG. An der zur Bewilligung von Versorgung nach dem BVG erforderlichen Unmittelbarkeit der Kriegseinwirkung fehlt es aber, wenn der Beschädigte die gefährliche Munition an sich genommen hat, obwohl er ihre Gefährlichkeit vermöge seiner Einsichtsfähigkeit erkennen musste (BSG Urteil vom 10. 6. 1955, 10 RV 390/54).

2. Bei der zu beurteilenden Einsichtsfähigkeit sind u. a. Alter und geistige Reife des Verletzten zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der am 00.00.1950 geborene Kläger begehrt vom Beklagten die Gewährung einer Teilversorgungsrente im Zugunstenweg gemäß § 44 SGB X.

Im Jahre 1969 stellte der Vater des Klägers als deutscher Volkszugehöriger einen Antrag für den Kläger. Er gab an, der Kläger sei am 06.11.1965 durch eine Eierhandgranate in einem Munitionslager im Walde in Woischnik verletzt worden. Es sei zur Amputation der linken Hand und weiteren Verletzungen an beiden Oberschenkeln und in der Bauchgegend gekommen. Vor dem Unfall habe er die Bergschule im Fach Elektrik besucht. Die könne nicht mehr besuchen. Er übersandte eine Bescheinigung der Volksmiliz vom 31.03.1970 über einen Unfall vom 06.11.1965 durch einen deutschen Blindgänger. Der Kläger gab an, er sei zufällig an die Stelle gekommen, wo früher ein deutsches Munitionslager gewesen sei, das seit 1945 nicht mehr bestehe. Dort habe er den Blindgänger gefunden und den Unfall erlitten. Er fügte Bescheinigungen des Krankenhauses bei. Die Beklagte holte Gutachten der polnischen Bezirksärztekommission ein und zog die Krankengeschichte bei. Der Kläger gab weiter an, er sei als Lehrer tätig. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.07.1971 führte der Chirurg Dr. I. in G. aus, von einem 15-Jährigen sei zu erwarten, daß er die Gefährlichkeit von gefundener Munition erkenne. Mit Bescheid vom 28.01.1972 lehnte das Versorgungsamt die Gewährung von Kannversorgung ab, weil keine Schädigungsfolgen vorhanden seien. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er fügte Bescheinigungen von zwei Zeugen bei, wonach das Geschoß aus dem ehemaligen deutschen Munitionsmagazin stamme, und eine Bescheinigung der Staatlichen Versicherungsanstalt vom 26.07.1972, wonach eine 90-prozentige Invalidität aufgrund des Unfalls vom 06.11.1965 bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.1973 wies das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen den Widerspruch zurück mit der Begründung, sein eigenes Handeln sei die wesentliche Bedingung für den Unfall gewesen. Ihm als 15-Jährigem habe Form, Aussehen und Gefährlichkeit explosiven Kriegsmaterials bekannt gewesen sein müssen.

Im Februar 1994 stellte der Kläger einen neuen Antrag auf Versorgung. Er gab an, das Lager sei von der deutschen Wehrmacht in die Luft gejagt worden, tausende der Geschosse seien auf dem Gelände durcheinandergeworfen worden. Er habe dort das Fliegerabwehrgeschoß Kaliber 20 mm der sogenannten Bordwaffe an sich genommen, so sei es zur Explosion gekommen. Er fügte Unterlagen der Staatlichen Versicherungsanstalt bei über eine Meldung des Unfalls vom 06.11.1965 mit der Angabe, er sei zuhause gewesen und habe an dem Geschoß manipuliert; der Blindgänger sei explodiert. Weiter fügte er Zeugenerklärungen und zahlreiche Bescheinigungen bei. Mit Bescheid vom 11.04.1994 lehnte das Versorgungsamt die Erteilung eines günstigeren Bescheides gemäß § 44 SGB X ab, weil der Bescheid vom 28.01.1972 nicht rechtswidrig sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Nord rhein-Westfalen mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.1994 zurück.

Am 29.09.1994 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, als Minderjähriger habe er nicht an die möglichen Folgen gedacht; an der Unfallstelle liege noch Munition aus dem Zweiten Weltkrieg. Er fügt u.a. den Bericht des Kriminalistischen Laboratoriums der Hauptkommandantur der Polizei in X. vom 21.06.1994 bei über drei Hülsen der Patronen Kaliber 20 mm von 1940, aus deutscher Produktion. Er gibt weiter an, er habe damals Blindgänger und Munition gesammelt und versucht, sie auseinanderzunehmen; er habe damit gespielt, da sei es am 06.11.1965 passiert. Schuld seien die Geschichte und der jugendliche Leichtsinn.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß schriftlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.04.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1994 zu verurteilen, ihm Teilversorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat auf Anforderung vom Kläger den Lebenslauf und das Abschlußzeugnis der Volk...

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