Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen, unter denen ein weiterer Bescheid Gegenstand eines anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens wird

 

Orientierungssatz

1. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder Ersetzung liegt dabei nur dann vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird.

2. Bezieht sich die neue Rentenantragstellung auf denselben bereits gestellten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, so ist sie mangels eines bestehenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Von einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sind laufende Leistungen betroffen; damit erfasst er auch bei Bescheiderteilung in der Zukunft liegende Bewilligungszeiträume.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.10.2020; Aktenzeichen B 13 R 59/19 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nichterstattet.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zulässigkeit eines wiederholenden Antrages auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem 6. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) streitig.

Der am xx.xx.1960 geborene Kläger beantragte am 9. Februar 2011 bei der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 18. April 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und den hiergegen am 10. Mai 2011 erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2012 als unbegründet zurück. Das hiergegen durch Klage vom 16. Januar 2012 anhängig gemachte Verfahren S 10 R 29/12 endete am 12. Mai 2016 mit klagabweisendem, noch nicht rechtskräftigem Urteil.

Am 8. Mai 2015, mithin nach Klageerhebung im Verfahren S 10 R 29/12, beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Mai 2015 als unzulässig ab, weil über den vorherigen Rentenantrag noch nicht abschließend entschieden worden sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 20. Mai 2015 Widerspruch. Der Kläger könne jederzeit einen neuen Rentenantrag stellen. Der Ablehnungsbescheid sei auch nicht Gegenstandsbescheid des vorherigen Rentenantragsverfahrens. Die materiellen Voraussetzungen des Rentenanspruchs lägen vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. September 2015 als unzulässig zurück. Ein Widerspruch gegen einen Gegenstandsbescheid sei unstatthaft.

Mit seiner am 19. Oktober 2015 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer hat den Kläger mit Schreiben vom 2. März 2016 auf die mangelnden Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt hingewiesen:

„Der angegriffene Bescheid vom 13. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Allerdings ist der Bescheid vom 13. Mai 2015 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des noch bei der Kammer anhängigen Verfahrens S 10 R 29/12 geworden. Der Wiederspruch gegen diesen Bescheid war daher auch nicht unzulässig, sondern unbegründet. Denn mit Bescheid vom 13. Mai 2015 hat die Beklagte zutreffend den erneuten Rentenantrag, vom 8. Mai 2015, als unzulässig abgelehnt, weil ein (älterer) Rentenantrag (vom 9. Februar 2011) bereits Streitgegenstand des noch anhängigen Verfahrens S 10 R 29/12 ist, das (allein) den Bescheid vom 18. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2011 zum Gegenstand hat.

Nach Klageerhebung wird gemäß § 96 Abs. 1 SGG ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Änderung liegt vor, wenn ein Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt wird, eine Ersetzung, wenn ein neuer Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 96 Rn. 4 m.w.N.). Eine Abänderung oder Ersetzung liegt dabei grundsätzlich nur dann vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird.

Mit dem Bescheid vom 14. Mai 2015 hat die Beklagte einen erneuten Rentenantrag des Klägers, vom 8. Mai 2015, abgelehnt. Dadurch wurde die auf den früheren Rentenantrag bezogene ablehnende Entscheidung weder ganz noch teilweise aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt, sondern vielmehr - bezogen auf einen späteren Zeitpunkt - bestätigt (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. Oktober 2015 - L 13 R 923/13 -, Rn. 40, juris; zutreffend auch: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. Januar 2016 - L 3 R 218/13 -, Rn. 62, juris m.w.N. zur - zutreffend abgelehnten -...

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